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Fachgespräch „Ukraine nach den Wahlen: Wohin steuert Präsident Selenskyj?“ – MANUEL SARRAZIN

Fachgespräch „Ukraine nach den Wahlen: Wohin steuert Präsident Selenskyj?“

Fachgespräch

Sechs Jahre nach der Euromaidan-Revolution in der Ukraine und nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr blicken im In- und Ausland alle auf einen mächtigen Mann an der Spitze: Präsident Wolodymyr Selenskyj. Seine selbstgeweckten Versprechen von einem schnellen Ende der Korruption und einem Frieden im Donbas haben hohe Erwartungen geweckt.

Seine Strategie „Im Eiltempo zu Frieden und Gerechtigkeit“ hat eine Welle von Gesetzesnovellen ins Rollen und auch Bewegung in die Friedensverhandlungen mit Russland gebracht hat, die mit einem Gipfeltreffen im Normandie-Format am 9. Dezember ihren mit Spannung erwarteten vorläufigen Höhepunkt erreichen werden. Die Machtfülle des Präsidenten und Dominanz seiner Partei „Diener des Volkes“ im Parlament sowie die Zugeständnisse der Ukraine bei der Umsetzung des Minsker Prozesses bergen allerdings auch große Gefahren.

Vor diesem Hintergrund hatten wir am 28. November 2019 der aktuellen Lage in der Ukraine ein öffentliches Fachgespräch im Bundestag gewidmet und uns nicht getäuscht, dass dieses Thema in Berlin auf großes Interesse stoßen würde. Der Anhörungssaal war voll besetzt: im Publikum hatten wir bekennende Ukrainefreunde, auf dem Podium ausgewiesene Ukraineexpertise in Gestalt engagierter Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft versammelt.

Als anstrengende Freunde der Ukraine, als die wir Grünen uns selber sehen und geschätzt werden, war es uns wichtig, unterschiedlichen Perspektiven Raum zu geben, so dass neben der jungen Antikorruptionsaktivistin, Anastasiya Krasnosilska, die jetzt für Selenskyjs Partei im Parlament sitzt, auch kritische Stimmen zum Politikstil und den bisherigen Amtshandlungen des neuen Präsidenten zu Wort kamen: Hanna Hopko, ehemalige Abgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im ukrainische Parlament, Oleksandr Dayljuk, ehemaliger Finanzminister und unter Selenskyj zuletzt Chef des Sicherheitsrates der Ukraine, der wegen dessen fragwürdigen Umgangs mit dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj sein Amt vor kurzem niedergelegt hat. Von deutscher Seite bereicherte der Osteuropahistoriker Wilfried Jilge, der uns in Berlin seit Jahren unermüdlich und kenntnisreich die Ukraine erklärt, die kompetente Runde. Neben seiner Sorge um die Einhaltung rechtstaatlicher Standards bei den Reformen und eine Schwächung der Institutionen war es vor allem seine realistische Einschätzung im Hinblick auf den Ausgang des Normandie-Gipfels am 9. Dezember, die die meisten teilten. Wenn Präsident Selenskyj die roten Linien, zu denen er sich bei allen Zugeständnissen in den Verhandlungen bekannt hat, einhält, wird es im politischen Prozess keinen Durchbruch geben. Russland hat seine Position überhaupt nicht verändert und setzt weiterhin auf Destabilisierung der Ukraine. Wenn es gut läuft, werden wir etwas mehr Entflechtung an der Kontaktlinie und einen weiteren großen Gefangenenaustausch erleben.

Mit Blick auf die Innenpolitik zeigte die Diskussion vor allem:  Rundum Selenskyj stellen sich höchst unterschiedliche Machtzirkel und Influencer auf – neben der alten Klientel von Oligarchen sind es die proeuropäische Reformkräfte im Parlament und der Zivilgesellschaft. Wer gewinnt, ist unklar. Wir können aber letztere unterstützen, indem wir uns in Deutschland, aber auch auf EU-Ebene konsequent, laut und deutlich an die Seite der Ukraine stellen.

Abschließend hat Omid Nouripour die Versprechen der Grünen als Freunden der Ukraine in einem Schlusswort bekräftigt:

  • Solidarität in schwierigen Zeiten, in denen der Staat und vor allem die Menschen unter einer massiven russischen Aggression zu leiden haben. Für uns ist klar: Der Friedensprozess darf nicht auf Kosten der territorialen Souveränität der Ukraine gehen!
  • Ablehnung von NS2 als Spaltprojekt der EU, gegen das uns langsam die Mittel ausgehen, aber bei dem wir nicht müde werden, die Bundesregierung für diesen Alleingang zu kritisieren.
  • Öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und auf EU-Ebene auf das Schicksal der Ukraine lenken und den deutschen Diskurs über das Land aktiv beeinflussen, gute Nachrichten verbreiten – vor allem über die mutigen, ungebrochenen und bewundernswerten Menschen wie Oleg Senzow.

Wer die spannende Diskussion nicht live verfolgen konnte, hat die Möglichkeit, dies dank Videomitschnitt unter folgendem Link noch nachzuholen: https://www.gruene-bundestag.de/termine/ukraine-nach-den-wahlen-wohin-steuert-praesident-selenskyj

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