Zur Einigung auf einen Sonderstatus in der Ostukraine erklärt Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik:
Es ist gut, dass Präsident Selenskyj bereit ist, auch innenpolitisch schwierige Schritte zu gehen, um Dialogbereitschaft zu signalisieren. Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass der Kreml sich auf einen tatsächlichen Abzug seiner militärischen Kräfte, eine Entwaffnung der in den sogenannten „Volksrepubliken“ herrschenden faktischen Warlords und auf echte faire und freie Wahlen einlassen wird. Zu groß ist der innenpolitische Druck in Russland, zu unbeliebt sind die als korrupt angesehenen neuen Eliten in Donezk und Lugansk auch bei den Menschen vor Ort. Die Strategie des Kremls in Bezug auf diese umkämpften Gebiete sieht nach dem Vorbild von Transnistrien vor, einen Fuß in der Tür der Entwicklung der Ukraine zu behalten, was mit Menschenrechten und Demokratie nicht kompatibel ist.
Im besten Fall bedeutet die Vereinbarung der „Steinmeier-Formel“ also die Chance, weitere konkrete Maßnahmen der Entflechtung an der Kontaktlinie und vielleicht einen weniger brüchigen Waffenstillstand zu erreichen. Im schlechten Fall lässt sich Präsident Selenskyj über den Tisch ziehen. Putin weiß, dass Selenskyj unter hohem Zeitdruck agiert, seine Wahlversprechen einzulösen. Die ukrainische Verhandlungsposition war von Anfang an keine starke und hat unter der Affäre rund um sein Telefonat mit Trump noch einmal gelitten. Das würde keineswegs zu einem „russischen Frieden“, sondern zu einer schweren innenpolitischen Krise in der Ukraine führen und Putin gegebenenfalls sogar den Grund geben, im Osten der Ukraine zum Beispiel über die Ausweitung der Passvergabe stärker zu intervenieren. Das müssen Deutschland und Frankreich verhindern.