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Zum 75. Jahrestag des Beginns des Warschauer Aufstandes – MANUEL SARRAZIN
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Zum 75. Jahrestag des Beginns des Warschauer Aufstandes

Heute vor genau 75 Jahren erhob sich die polnische Heimatarmee (Armia Krajowa) in Warschau, unterstützt von der Zivilbevölkerung, gegen das deutsche Besatzungsregime. Es war der heroische Versuch von ca. 150.000 Frauen und Männern, ihre Stadt aus eigener Kraft vom deutschen Aggressor und Peiniger zu befreien. 63 Tage lang haben die Aufständischen dem militärisch überlegenen Feind erbitterten Widerstand geleistet. Ohne Hilfe von Außen war ihr Aufstand zum Scheitern verurteilt. Ihre Hauptstadt sollte laut Befehl von oben „dem Erdboden gleichgemacht werden“, was nach Ausrottung oder Verschleppung nahezu aller Bewohner*innen schließlich auch geschah.

Fast 200.000 Polen wurden bei der brutalen Zerschlagung des Aufstands schonungslos ermordet, darunter viele Zivilisten. Angesichts der besonders erschreckenden Ausmaße, die der NS-Terror während der 63 Tage des Aufstandes im Sommer 1944 annahm, ist es unverständlich und beschämend, dass über diese Tragödie hierzulande bis dato nur vage oder gar keine Kenntnis besteht. Wenig verwunderlich daher, dass der Warschauer Aufstand auch mal gern mit jenem im Warschauer Ghetto 1943 verwechselt wird. Mit diesem Befund sollten wir uns allerdings nicht abfinden. Denn der 1. August 1944 ist für unseren Nachbarn Polen heute identitätsstiftend. Er wird mit zeitlichem Abstand zunehmend zum nationalen Mythos vom Freiheitswillen des polnischen Volkes, der allerdings gut dokumentiert ist. Wer also will, erfährt z.B., dass beim Massaker von Wola allein in 3 Tagen 30.000 polnische Zivilisten Massenexekutionen von SS-Einheiten zum Opfer fielen.

Es ist wichtig, dass wir an Jahrestagen wie diesem die historische Verantwortung Deutschlands für die von 1939 – 1945 in deutschem Namen begangenen Verbrechen in Polen bekräftigen. Wir verneigen uns heute stillschweigend vor dem Mut der Aufständischen, gedenken der Opfer und ihrem unermesslichen Leid, ergreifen die von ihren Nachkommen ausgestreckte Hand der Versöhnung. Dass der deutsche Außenminister dies auf Einladung der polnischen Regierung im einst zertrümmerten Warschau tun wird, ist von hoher symbolischer Bedeutung. Vor ihm wurde die Ehre nur Bundespräsident Richard Weizsäcker (1994) und Bundeskanzler Gerhard Schröder (2004) zuteil. Die Erwartungen an seine Rede sind dementsprechend hoch in Polen. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt werden. Dessen sollte er sich bewusst sein. Ich hoffe daher, er wird in seinen Ausführungen die tragende Rolle der Roten Armee für das Scheitern des Aufstands benennen. Auf Befehl Stalins ließ man den polnischen Widerstand ausbluten und die Stadt zerstören, bevor man einmarschierte. Auch das gehört zur historischen Wahrheit, der wir verpflichtet sind.

Bei wiederkehrenden Ritualen und Symbolpolitik dürfen wir es allerdings im Verhältnis zu Polen, mit dem uns heute eine enge, vertrauensvolle Partnerschaft und Freundschaft verbindet, nicht belassen. Niemand kann Geschichte ungeschehen machen. Aber wir können und sollten sie kennen und verantwortlich mit ihr umgehen. Dies impliziert auch verantwortliches Handeln z.B. bei unseren politischen Entscheidungen von heute und morgen. Wenn wir als Deutsche bedenken, dass es der schändliche Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 war, der vor 80 Jahren die Voraussetzung für den Überfall auf Polen, den Vernichtungskrieg mit all seinen katastrophalen Folgen inklusive der Spaltung Europas in einen freien und unfreien Teil schuf, müssen wir bei der Gestaltung unserer Russlandpolitik auf die Befindlichkeiten der Opfer der deutsch-sowjetische Doppelaggression von 1939/40 Rücksicht nehmen. Nie wieder dürfen unsere mittelosteuropäischen Nachbarn den Eindruck gewinnen, als werde zwischen Berlin und Moskau irgendetwas über ihre Köpfe hinweg und auf ihre Kosten entschieden. Das gilt insbesondere für das zwischen ihnen geographisch eingeklammerte Polen. Zu Recht bemängelt man dort die fehlende Solidarität Deutschlands z.B. in Fragen der Gaspipeline Nord Stream 2. Es ist ein Projekt, das wirtschaftliche Interessen über sicherheitspolitische Bedenken stellt und daher die falschen Zeichen setzt. Deutschland hätte sich nicht darauf einlassen sollen.

Umso mehr haben wir heute und jeden Tag aufs Neue die Chance und den Auftrag, in den politischen wie zwischenmenschlichen Beziehungen zu Polen mehr Empathie zu wagen. Schließlich ist es Polen, mit dem wir uns als enge, gleichberechtigte Partner innerhalb der EU gemeinsam um eine bessere, friedliche Zukunft bemühen. Russland hingegen stellt schon lange, aber seit der Annexion der Krim und dem militärischen Eingreifen in der Ostukraine noch offensichtlicher eine Bedrohung für Frieden und Stabilität in Europa dar. Wer angesichts dieser Tatsachen auf Kuschelkurs mit Putin gehen will, setzt erneut die falschen politischen Prioritäten und pfeift auf die historische Verantwortung Deutschlands. Es zeugt von völliger Geschichtsvergessenheit, wenn Gerhard Schröder, der 2004 in Warschau noch das „Nie wieder!“ beschwor, heute öffentlich die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und damit gewaltsame Grenzverschiebungen in Europa öffentlich legitimiert.

Um derartiger Geschichtsvergessenheit in Deutschland vorzubeugen, hilft nur eine intensive, angemessene und breit zugängliche Wissensvermittlung für alle Altersklassen an Gedenk- und Bildungsstätten. Und das passiert vielerorts bereits, auch wenn Themen wie der Warschauer Aufstand nicht immer hinreichend behandelt werden. Hingegen bietet der öffentliche Raum, der das kollektive Gedächtnis nachweislich prägt, eine weitere Option mit Breitenwirkung, um das Gedenken an den deutschen Vernichtungskrieg gegen Polen lebendig zu halten.

Als Mitglied des Deutschen Bundestages halte ich es 80 Jahre nach dem Überfall auf Polen 1939 für überfällig und setze mich dafür ein, dass an prominenter Stelle in Berlin ein geeigneter Ort gefunden wird, der den polnischen Opfern des Krieges und der Besatzung gewidmet ist. Er sollte mit einem geeigneten Konzept der Erinnerung, Aufklärung und vor allem auch der Verständigung und dem Abbau von Vorurteilen dienen. Dort hätte auch der Warschauer Aufstand bzw. die Erinnerung an ihn einen angemessenen Raum in jener Stadt, von wo aus seine Niederschlagung befehligt wurde.

Ich würde mir wünschen, dass dieser interfraktionelle Aufruf zur Schaffung eines Gedenkortes für Polen als erstem Opfer des deutschen Angriffskrieges, das am längsten unter einem äußerst brutalen Besatzungsregime litt, von einer breiten Mehrheit im Bundestag mitgetragen wird. Es wäre zum 1. September ein positives Zeichen an unsere Nachbarn und Freunde in Polen, wenn die Bundesregierung vom deutschen Parlament einen entsprechenden Auftrag erhielte. Solche positiven Zeichen im Geiste der Versöhnung und Verständigung können wir aktuell in den bilateralen Beziehungen mehr als gebrauchen.

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