Zur heutigen ersten Lesung über die Fortsetzung des KFOR-Mandats erklärt Manuel Sarrazin, osteuropapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion:
In der ersten Juni-Hälfte 2018 berät der Deutsche Bundestag die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR) auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des VN-Sicherheitsrates vom 10.06.1999. Vom 24.-26.05.2018 habe ich in Pristina und Belgrad mit Zivilgesellschaft, Regierungsvertreter/innen, Think Tanks, Parlamentsvertreter/innen, Botschafter/innen europäischer und internationaler Organisationen und KFOR-Bundeswehrsoldat/innen Gespräche über die aktuelle Lage vor Ort geführt.
Seit fast 20 Jahren begleitet uns nun der Einsatz von Bundeswehrsoldat/innen in Kosovo. Bis Ende 2018 soll das Feldlager in Prizren aufgelöst und anschließend ein wesentlich reduziertes Bundeswehrkontingent nach Pristina ins KFOR-Hauptquartier verlegt werden bzw. dort verbleiben. Das zeigt: Die Bedeutung der KFOR-Präsenz in Kosovo hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert – die Schwerpunktverschiebung von Eingreifkräften zu Aufklärungs- und Beratungsfähigkeiten ist sichtbar. Kosovo ist im Alltag weitestgehend ruhig und stabil. Es gibt jedoch, vor allem im Norden Kosovos, ein ernstzunehmendes Eskalationspotential, was zuletzt mit der Verhaftung des Kosovo-Beauftragten der serbischen Regierung, Marko Djuric, im März 2018 deutlich wurde. Die Ermordung des serbisch-kosovarischen, Belgrad-kritischen Politikers Oliver Ivanovic ist hingegen noch nicht aufgeklärt. Ein Eingreifen von EULEX-Polizist/innen oder KFOR-Soldat/innen war im vergangenen Mandatszeitraum nicht erforderlich.
Trotz einer weitgehend stabilen Sicherheitslage gibt es sehr gute Gründe, warum KFOR-Truppen im Kosovo bleiben und die Sicherheitslage engmaschig beobachten werden.
- Auf politischer Ebene sollen die Vorbereitungen für die Fortsetzung des Dialogs zwischen der serbischen und der kosovarischen Regierung zur Normalisierung der Beziehungen beider Länder zeitnah intensiviert werden. Verlauf und Streitpunkte des Normalisierungsprozesses werden nicht nur die Beziehungen beider Länder, sondern auch die politischen Beziehungen innerhalb des Kosovo auf eine harte Probe stellen. Die KFOR-Truppen gelten deshalb vielen als Rückversicherung, falls mit Intensivierung oder gar Scheitern des Dialogs der Konflikt erneut aufflammen sollte. In der Bevölkerung ist die Waffendichte weiterhin hoch. Darüber hinaus gibt es noch immer den Wunsch einzelner serbischer Gemeinden, christlich-orthodoxe Orte wie bspw. das Kloster Decani weiterhin von KFOR sichern zu lassen. Auch waren von der serbischen Regierung wiederholt schrille Töne, bis hin zur Drohung mit einer militärischen Intervention in Kosovo, zu hören.
- Auf Grundlage des Marty-Berichts des Europarates hat das „Kosovo-Spezialgericht“ (special chambers) die Vorbereitung für die gerichtliche Aufarbeitung von Kriegsverbrechern ehemaliger UCK-Kämpfern und Kommandeuren in die Wege geleitet. Noch sind keine Anklagen erhoben. Expert/innen vermuten jedoch, dass der kosovarische Präsident Hashim Thaci und Premier Ramush Haradinaj unter den Angeklagten sein werden. Unterstützende Clan-Strukturen haben bereits angekündigt, dass sie sich etwaigen Verhaftungen entgegenstellen würden. Es könnte deshalb bei Festnahmen und Überführungen bestimmter Personen zu eskalierenden Situationen kommen. Die kosovarischen Sicherheitskräfte würden bei zunehmender Eskalation von EULEX-Polizist/innen (Formed Police Unit) unterstützt und diese bei weiter zunehmender Eskalation von KFOR-Kräften (third responder) geschützt werden.
Ich halte es vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen für notwendig, die KFOR-Präsenz als dritte Instanz von Sicherheit weiterhin politisch und personell zu unterstützen.
Inhalt – Antrag der Bundesregierung:
- Zustimmung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an KFOR
- Grundlagen im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG):
- Resolution 1244 des VN-Sicherheitsrates vom 10.06.1999.
- Militärisch-Techn. Abkommen zw. KFOR und jetzt Republik Serbien vom 09.06.1999.
- Einsetzbeschluss des Nordatlantikrats vom 30.01.1999
- Auftrag und Aufgaben:
- Beitrag zur Sicherstellung der öffentlich Sicherheit und Ordnung
- Unterstützung von humanitärer Hilfe und ziviler Präsenz
- Unterstützung bei Entwicklung eines stabilen, demokratischen und multiethnischen Kosovo
- Unterstützung des Aufbaus der Kosovo Security Force bzw. der Kosovo Armed Force, Vorbereitung der Einbindung in euro-atlantische Strukturen
- Einzusetzende Fähigkeiten:
- Führung- und Führungsunterstützung, Kampf- und Kampfunterstützung, Sicherung und Schutz, Militärisches Nachrichtenwesen, Transport- und Umschlagsdienste, Sanitätsdienstliche Versorgung Medizinische Evakuierung, Zivil-militärische Zusammenarbeit/ humanitäre Hilfs- und Unterstützungshilfe
- Ermächtigung zum Einsatz und Dauer:
- Ermächtigung der Bundesverteidigungsministerin, im Einvernehmen mit Bundesaußenminister. Unbegrenzte Einsetzung der Fähigkeiten. Voraussetzungen: Mandat des VN-Sicherheitsrates, Beschluss des Nordatlantikrates, konstitutive Zustimmung des Bundestages.
- Einsatzgebiet:
- Staatsgebiet Kosovo sowie die für Zugang und Versorgung notwendige Nutzung angrenzender Gebiete mit Zustimmung des jeweiligen Staates und angrenzender Seegebiete
- Personaleinsatz:
- bis zu 800 Bundeswehrsoldat/innen (unverändert zum letzten Jahr). Genehmigung von Einsätzen in Kontingenten anderer Nationen und vice versa möglich. Vorübergehende Überschreitung der Personalobergrenze für (Rück-)Verlegung, Kontingentwechsel, Notsituationen möglich.
- Finanzierung:
- Für 12 Montage voraussichtlich rund 29,8 Mio. Euro aus EP 14 Kapitel 1401 Titelgruppe 08. Haushaltsjahr 2018 = 16,06 Mio. Euro. Haushaltsjahr 201) = 13,2 Mio. Euro