Eine demokratische Wirtschaftsregierung für die EU der 28
13 Thesen zur Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion
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Die eindeutige Lehre aus der Krise lautet: Schluss mit Kleinstaaterei – hin zu einer stärkeren wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU. Dennoch verfügt die europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) noch immer über eine nicht vollständig integrierte Struktur. Viele der wirtschafts-, haushalts-, und finanzpolitischen Fragen fallen noch immer teilweise oder komplett in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten. Die daraus entstehenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte sind jedoch für den Zusammenhalt Europas und das Fortbestehen der EU gefährlich. Die EU braucht Strukturen und Instrumente, die ausreichend stark und handlungsfähig sind und diese Ungleichgewichte weiter reduzieren. Ansonsten droht die Schwäche eines einzelnen Mitgliedstaats auch weiterhin schnell zur Gefahr des gesamten Euro-Währungsgebiets und der EU als wirtschaftlicher, sozialer und politischer Gemeinschaft zu werden. Die Krise in der Euro-Zone konnte durch diese nicht vollständig integrierte Struktur zu einer der größten Herausforderungen für das gemeinsame Europa werden.
Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU – viel erreicht, aber das Rad muss sich weiter drehen
Die EU hat seit 2010 neue Instrumente entwickelt und bestehende Verfahren reformiert, um die strukturellen Defizite der Wirtschafts- und Währungsunion anzugehen. Der dauerhaft eingerichtete Europäische Stabilitätsmechanimus (ESM), das Europäische Semester, der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt mit dem angepassten Defizitverfahren und dem neuen Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, die neuen Befugnisse für Eurostat, die Gründung der Bankenunion und die geplante Einrichtung eines neuen EU-Investitionsfonds (EFSI) waren und bleiben notwendige Schritte für eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung und Handlungsfähigkeit in der EU. Denn es wurden Instrumente geschaffen, die besser gegen nationales Politikversagen vorgehen und in Notsituationen handeln und helfen können. Aus diesen Gründen hat die grüne Bundestagsfraktion alle diese Schritte grundsätzlich unterstützt, auch wenn wir bei der konkreten Ausgestaltung teilweise andere Vorschläge hatten.
Gleichzeitig sind diese Fortschritte alleine nicht ausreichend, um das Fortbestehen der gemeinsamen europäischen Währung und des wirtschaftlichen Zusammenhalts im EU-Binnenmarkt nachhaltig und krisenfest zu sichern. In den letzten Jahren haben die europäischen Institutionen und die nationalen Hauptstädte überwiegend in einem politischen Krisenmodus gearbeitet, der von schnellen Entscheidungen geprägt war und von Entwicklungen an den Finanzmärkten bzw. akuten ökonomischen Krisen in einzelnen Staaten angetrieben wurde. Trotz der erreichten Fortschritte im Instrumentenkasten der EU, hat dieser Krisenmodus zu negativen politischen Entwicklungen geführt, die dem Projekt EU gefährlich werden können. Das Krisenmanagement war zudem zu oft und zu sehr von zwischenstaatlichem Regierungshandeln in Hinterzimmern geprägt anstatt auf starke demokratisch legitimierte EU-Institutionen und Verfahren zu setzen. Dieser exekutivlastige Intergouvernementalismus hat ernsthafte integrations- und demokratiepolitische Probleme verursacht, die es zu beheben gilt.
Deshalb braucht es weitere Schritte hin zu einer echten, aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten bestehenden Wirtschafts- und Währungsunion mit einer stärkeren demokratischen Legitimation. Europa braucht jetzt den Mut, der EU in der Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts-, und Steuerpolitik mehr Kompetenzen zu übertragen; Mut zu mehr sozialem Europa und für mehr Kompetenzen, Einfluss und Demokratie für die EU-Institutionen. Entscheidungsprozesse müssen im Rahmen der Gemeinschaftsmethode demokratisch und transparent ausgestaltet sein. Zwischenstaatliche Verfahren müssen europäisiert und stärker als bisher unter die demokratische Kontrolle des EU-Parlaments gestellt werden.
Eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion braucht europäisch handelnde Akteure
Um nachhaltige Lösungen der Krisenursachen voranbringen zu können, werden sich auch Politikstil und Kommunikation der nationalen Regierungen ändern und europäisieren müssen. Diese Aufgabe ist durch die Krise nicht einfacher geworden. Im Gegenteil: Immer mehr wird ein Politikstil zum vorherrschenden europapolitischen Modus in Europa gemacht, der entlang nationaler Zuschreibungen argumentiert und die vorgeblich nationalen Interessen egoistisch überbetont. Nach dem Vorbild von Bundeskanzlerin Merkel wird das europapolitische Interesse in der öffentlichen Debatte der innenpolitischen Opportunität geopfert. Der Europadiskurs findet nur untergeordnet unter nationale Ziele statt. So wird die gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik allein aufgrund von vorgeblich nationalen politischen Zielen bewertet, basiert immer mehr auf einem stupiden Gegenrechnen von Einnahmen und Ausgaben und es gilt der absolute Vorrang von innenpolitischem Prestige über tatsächliche sachliche Fortschritte in der EU. Gepaart mit naiven Vereinfachungen der europapolitischen Debatten durch die Regierungen und teilweise willigen Gehilfen in den Medien, erscheint die Europapolitik immer mehr als ein Existenzkampf unterschiedlicher nationaler Interessen und angeblicher Eigenarten bspw. zwischen Süden und Norden. Diese verheerende allein auf eigenen politischen Erfolg zu Hause ausgerichtete Strategie schadet dem Verständnis für Europa, beschränkt aber auch die innenpolitischen Handlungsspielräume, um sinnvolle Lösungen zu finden und diese dann öffentlich glaubhaft zu begründen. Die Europapolitik verkommt immer mehr von einem Prinzip der Win-Win-Situation zu einer Schablone in der öffentlichen Wahrnehmung, die Gewinner und Verlierer in Form von Nationen braucht. Tatsächlich wurde in der EU immer hart verhandelt, wenn es um Geld und Interessen ging. Aus diesem neuem Politikstil entwickelt sich aber vor allem in Deutschland ein neues europäisches Narrativ, dass dem Projekt EU gefährlich werden könnte.
Dieser Politikstil ist auch einer der Gründe, warum sich die Politik auf einer leichten Erholung der wirtschaftlichen Lage ausruht, anstatt die großen Herausforderungen von Rekordarbeitslosenzahlen und hohen Schuldenquoten nachhaltig anzugehen. Diese vermeintliche Sorglosigkeit könnte sich bitter rächen: Mit einem außergewöhnlichen Niedrigzinsumfeld, einem den Export anheizenden Euro-Kurs und einem immer noch relativ niedrigen Ölpreis sollte jedem klar sein, dass die EU jederzeit wieder von wirtschaftlichen Schocks getroffen werden könnte. Deshalb muss die Widerstandsfähigkeit der EU gesteigert werden. Dafür sollten Maßnahmen umgesetzt werden, die die derzeit einsetzende moderat
e wirtschaftliche Erholung auch bei den Gruppen ankommen lassen, die durch die Krise besonders getroffen wurden. Der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Armut muss deutlich erfolgreicher werden. Dafür sind in vielen Ländern der EU Strukturreformen und Investitionen notwendig, die nicht noch länger aufgeschoben werden dürfen, auch wenn sich die makro-ökonomischen Daten derzeit leicht verbessern. Gleichzeitig muss die EU – trotz Griechenland – dahingehend glaubwürdig bleiben, dass ihre Mitglieder ihre Schulden bedienen werden und die EU politische Maßnahmen ergreifen wird, die die Zahlungsfähigkeit als gemeinschaftliche Aufgabe begreifen und im Gegenzug eine nachhaltige Finanzpolitik im Sinne der EU-Verträge sicherstellt. Diese Kernfragen der Glaubwürdigkeit betreffen nicht nur die EU, sondern von ihnen hängt vor dem Hintergrund des Vernetzungsgrades im Binnenmarkt auch die Glaubwürdigkeit aller EU-Mitgliedsstaaten ab. Deswegen müssen diese Fragen supranational von europäischer Politik bearbeitet und in wesentlichen Teilen auch gesteuert werden und können nicht jedem alleine selbst überlassen werden. Wer jetzt nicht Strukturen schafft, die gemeinsame Entscheidungen manchmal auch gegen einzelne nationale Interessen hinweg ermöglichen und die die neue Entwicklung von nationalen Gewinnern und Verlierern nicht durch die notwendige Aushandlung eines gemeinsamen europäischen Weges zähmen, wird die EU immer wieder in Vertrauenskrisen aufgrund von nationalen Problemen stürzen. Wer jetzt nicht erkennt, dass kein politisches System in der EU ohne Impulse und Reformanreize und -vorgaben von außen in der Lage sein wird, diese für alle EU-Staaten anstehenden Transformationsaufgaben anzugehen, könnte neben der politischen Schwächung der europäischen Integration erleben, dass auf Europas Weg in die wirtschaftliche Realität des globalisierten 21. Jahrhunderts die ökonomischen Ungleichgewichte wieder zu politischen Gegensätzen zwischen angeblich nationalen Volkswirtschaften werden.
Das größte Hindernis auf dem Weg des gemeinsamen Europas bleibt die mangelnde Weitsichtigkeit nationaler Politik und Bürokratie, die gleichzeitig von der großen Angst geprägt ist, durch eine Weiterentwicklung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion an eigener Macht und nationaler Kompetenz zu verlieren. Ohne mehr ownership und ein Umdenken in den Köpfen wird eine echte Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu machen sein.
Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion
Wirtschaftspolitischen Integrationsprozess gemeinsam und demokratisch weiterentwickeln
I. Rahmenbedingungen
1. Für eine Wirtschafts- und Währungsunion, die zusammenhält
– Absage an eine Spaltung der EU in Euro-Zone und den Rest
Nach wie vor gilt das Prinzip der europäischen Integration: Alle gemeinsam, immer enger („Ever closer union“). Eine Spaltung der EU in die Euro-Zone und den Rest birgt nicht nur die Gefahr, den historischen Erfolg der EU-Osterweiterung zu untergraben und eine zwei-Klassen-Union zu schaffen. Sie würde mit dem Binnenmarkt auch einen Kernbestandteil der EU gefährden. Die Euro-Zone ist zudem kein statisches Konstrukt, sondern befindet sich im kontinuierlichen Wandel. Allein in den letzten vier Jahren wurde in drei Staaten der Euro als Umlaufwährung eingeführt. Außerdem wäre eine Spaltung aufgrund von wirtschaftlich engverwobenen Euro-Staaten und Nicht-Euro-Staaten realitätsblind. So zählt beispielswiese Polen zu den wichtigsten deutschen Handelspartnern und Ungarn exportiert größtenteils in die Euro-Zone und als Produzent für Firmen aus der Euro-Zone in die ganze Welt. Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon haben sich zudem mit Ausnahme von Großbritannien und Dänemark alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, den Euro als Umlaufwährung einzuführen, sobald die im Vertrag festgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Bisher wird diesen Fakten – wie auch dem Ziel einer Integration aller EU-Staaten in den Euro – Rechnung getragen durch die Teilnahme dieser Staaten an den Euro-Verträgen und ihre Einbindung in wirtschaftspolitische Verfahren und die Haushaltskontrolle der Maastricht-Verträge im Rahmen der Konvergenzprogramme. Alle aktuellen Euro-Staaten sollten aus diesen Gründen ein Interesse haben, die (Noch-)Nicht-Euro-Staaten bei der wirtschaftspolitischen Steuerung mitzudenken. Es ist nicht sinnvoll, die EU so umzubauen, dass die Euro-Zone über Wohl und Wehe der (Noch-)Nicht-Euro-Staaten entscheiden kann. Wer diesen Staaten jetzt ein Kerneuropa vor die Nase setzt, wird deren Desintegration aus den vorhandenen Strukturen provozieren, denn sie werden ihre Interessen nicht einflusslos den Entscheidungen des Kerns ausliefern. Dies würde auch den bisherigen Grundprinzipien der europäischen Einigung entgegenstehen. Deshalb:
– Auch neue Verfahren und Instrumente der wirtschaftspolitischen Steuerung sollten wie bisher grundsätzlich für alle EU-Mitgliedstaaten gelten. Natürlich kann es bei einzelnen Verfahren und Instrumenten notwendig sein, vorübergehend verschiedene Geschwindigkeiten und unterschiedliche Durchsetzungsmechanismen zu entwickeln – wie das auch heute schon im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der Fall ist.
– Für den Fall, dass sich trotz aller Bemühungen nur eine Gruppe von Mitgliedstaaten für zusätzliche oder vertiefende Maßnahmen entscheidet, sollten diese Maßnahmen im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit stattfinden und nicht in völkerrechtlichen Anbauten außerhalb der Europäischen Verträge verhandelt werden. Bei der Verstärkten Zusammenarbeit sollte das EU-Parlament ohne Ausnahme beteiligt werden und das ordentliche Gesetzgebungsverfahren angewendet werden – auch wenn hierfür eine Änderung der Verträge notwendig ist.
– Der im Fiskalvertrag festgeschriebene Euro-Gipfel muss abgeschafft und die gemeinsame Währung betreffenden Fragen ausschließlich im Kreis der 28 Staats- und Regierungschefs, dem Rat für Wirtschaft- und Finanzen bzw. in der Euro-Gruppe diskutiert werden. Dem jüngsten Vorschlag aus Paris und Berlin, den Euro-Gipfel zum faktisch wichtigsten politischen Gremium aufzubauen, ist daher eine Absage zu erteilen. Das gilt insbesondere für den Versuch, den Gipfel der Euro-Zone mit eigenen personellen Ressourcen, einem starken Präsidenten als „Gegenpapst“ zum Präsidenten des Europäischen Rates und der Kompetenz auszustatten, Arbeitsaufträge an andere Ministerkonstellationen der Euro-Zone zu vergeben. Dieser Vorschlag rüttelt an der europäischen Integration und verletzt die Loyalität innerhalb der EU. Letztlich werden solche Vorschläge zur Errichtung eines übermächtigen Euro-Gipfels nichts erreichen: Anstatt das Vereinigte Königreich zu einer stärkeren Kooperation zu bewegen, droht der Vorschlag, das Verhältnis zwischen Brüssel und London, aber auch zwischen Euro-Staaten und anderen Nicht-Euro-Staaten zu zerrütten und in London und anderen Hauptstädten die Debatte über die britische Forderung nach sogenannten safeguards anzuheizen. Safeguards sollen sicherstellen, dass Euro-Staaten die anderen EU-Staaten nicht überstimmen können. Dies wäre schlichtweg undemokratisch und aufgrund der ungebrochenen Integrationskraft des Euro anachronistisch. Zudem würde es die EU der 28 handlungsunfähig machen. Das einzige dem UK anzubietende safeguard ist, dass di
e Gemeinschaftsinstitutionen gestärkt und der Einfluss von Großbritannien (und anderen Nicht-Euro-Staaten) auf wirtschaftspolitische Entscheidungen der EU nicht in Frage gestellt werden.
2. Für gemeinschaftliches Handeln auf Grundlage der Europäischen Verträge
– Absage an zwischenstaatliches Handeln außerhalb der EU-Verträge
Zwischenstaatliches Vorgehen ist aus vier Gründen grundsätzlich abzulehnen. Erstens: zwischenstaatliche Lösungen generieren eine „Renationalisierung“, da sie ohne EU-Institutionen als Garanten eines europäischen Interessensausgleichs auskommen wollen und oft als Durchsetzung einzelstaatlicher (vor allem deutscher) Interessen wahrgenommen werden. Zweitens: bei zwischenstaatlichen Entscheidungsprozessen wird das europäisch bewährte Mehrheitsprinzip faktisch wieder durch das Einstimmigkeitsprinzip ersetzt, d.h. mit dem Veto eines einzelnen Mitgliedstaats können notwendige Vorhaben ausgebremst oder gar verhindert werden. Drittens: zwischenstaatliches Vorgehen außerhalb der Europäischen Verträge birgt erhebliche Probleme hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Primärrecht der EU. Viertens: für die zwischenstaatliche europäische Ebene stößt die parlamentarische Kontrolle und Rechenschaftspflicht immer wieder an ihre Grenzen, da im Zuge einer Entparlamentarisierung die demokratische Rückkopplung bzw. Rechte des EU-Parlaments umgangen werden und viele nationale Parlamente nur ex-post beteiligt werden. Nur mit den Gemeinschaftsinstitutionen (EU-Kommission und EU-Parlament) wird die Kompromisssuche zwischen zum Teil höchst unterschiedlichen Interessen legitim, fair und demokratisch zu organisieren sein. Deshalb:
– Steuerungsverfahren und Instrumente sollten in einer vertieften Wirtschafts- und Währungsunion aus Gründen der Rechtssicherheit, der Effizienz und der demokratischen Legitimität innerhalb der Europäischen Verträge, mit den EU-Institutionen und stets im Rahmen der Gemeinschaftsmethode (ordentliches Gesetzgebungsverfahren zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU) ausgestaltet werden.
II. Instrumente und Akteure
3. Für einen Europäischen Konvent
Für eine dauerhafte Lösung der Krise wird sich die EU fundamentalen Fragen stellen und sich weiter entwickeln müssen. Denn eine gemeinsame Währung auf der einen Seite ist nicht mit wirtschafts- und haushaltspolitischer Kleinstaaterei auf der anderen Seite zu vereinbaren. Maßnahmen für eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung in der EU werden auch Änderungen der Europäischen Verträge benötigen. Dabei dürfen die Staats- und Regierungschefs die Fehler des Vertrags von Lissabon nicht wiederholen und die Vertragsänderungen allein in den Hinterzimmern der Regierungen vorbereiten. Denn wenn zentrale Beschlüsse nur zwischen Staats- und Regierungschefs ausgehandelt und die Menschen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, riskiert die Politik die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger für das Projekt Europa. Deshalb:
– Ein Europäischer Konvent – unter Federführung des EU-Parlaments und des Europäischen Rates, mit Beteiligung der EU-Kommission, der nationalen Regierungen und Parlamente, der Zivilgesellschaft und Sozialpartner – sollte mit klar spezifiziertem Mandat und Zeitplan die notwendigen Vertragsänderungen in einem öffentlichen, demokratischen und bürgerfreundlichen Verfahren diskutieren und gemäß Artikel 48 EUV Empfehlungen für die Konferenz der Vertreter der Regierungen erarbeiten. Die EU-Kommission, das EU-Parlament und die nationalen Regierungen – in Zusammenarbeit mit ihren nationalen Parlamenten – sind aufgefordert, die im Europäischen Konvent zu diskutierenden Vertragsänderungen zu erarbeiten und einzubringen.
4. Für einen Europäischen Währungsfonds und die Integration zwischenstaatlicher Instrumente
– ESM, Fiskalvertrag und Bankenabwicklungsfonds in die Europäischen Verträge integrieren
In der akuten Phase der Krise wurde deutlich, dass die EU auch ohne eigene Kompetenzen handeln musste. Zur Rettung des Euro wurden mit dem ESM – und zuvor mit der EFSF – zwischenstaatliche Strukturen aufgebaut, die sich aus nationalen Mittel speisen und deshalb zwischenstaatliche oder nationale Entscheidungsstrukturen aufweisen. In Deutschland ist die vorherige Zustimmung des Bundestages zu Kreditpaketen verfassungsrechtlich geboten, da der Bundeshaushalt zum Teil die Garantien für die Hilfskredite übernimmt. Perspektivisch sollten zwischenstaatliche Instrumente jedoch vergemeinschaftet und in die EU-Verträge integriert werden. Deshalb:
– Der ESM sollte zu einem Europäischen Währungsfonds umgebaut werden – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist. Dafür müssten die finanziellen Mittel des ESM von den nationalen Ebenen auf die europäische Ebene übertragen werden. Neben den ESM-Mitgliedern (Regierungen der Euro-Staaten) würde dann das EU-Parlament als einzige, direkt gewählte EU-Institution über die konkrete Ausgestaltung der Kredit- und Reformprogramme mitentscheiden. Um Interessenskonflikte zu vermeiden und die geldpolitische Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht zu gefährden, sollte für die EZB bei der Ausgestaltung der Reformprogramme künftig nur noch ein Beobachterstatus vorgesehen werden.
– Inhalt und Zielsetzung des Fiskalvertrags sollten überprüft und anschließend – wie in Artikel 16 Fiskalvertrag festgelegt – in den Rechtsrahmen der EU-Verträge überführt werden. Gleiches gilt für den derzeit zwischenstaatlich organisierten europäischen Bankenabwicklungsfonds.
5. Für einen starken EU-Kommissar für die Wirtschafts- und Währungsunion
Mit dem Europäischen Semester und dem reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt hat die EU Verfahren geschaffen, die die Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene zu einem Austausch über die nationalen ökonomischen Entwicklungen zwingen, Fehlentwicklung offenlegen und gegebenenfalls korrigieren können. Diese zum Teil neuen Verfahren treffen auf bereits vorhandene EU-Kompetenzen bspw. im Binnenmarkt oder Wettbewerbsrecht oder bei der Ausgestaltung des EU-Haushalts. Neues und Vorhandenes sollte stärker gebündelt werden. Deshalb:
– Ein/e starke/r EU-Kommissar/in für die Wirtschafts- und Währungsunion sollte
o mit allen Kompetenzen der EU-Kommission in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Haushalt ausgestattet, an die Spitze aller Verfahren der wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerung gestellt und gegenüber der europäischen Öffentlichkeit besonders stark parlamentarisch legitimiert und kontrolliert wird,
o das Recht erhalten, – nach Beteiligung des EU-Parlaments – nationale Haushaltsentwürfe abzulehnen und die Regierung des betroffenen Mitgliedstaats aufzufordern, den Entwurf anzupassen, wenn dieser gegen europäische Vereinbarungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspacks oder der EU2020-Strategie verstößt,
o ständiger Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Finanzen und der Euro-Gruppe werden – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist,
o individuell vom EU-Parlament gewählt werden und jederzeit individuell wieder abwählbar sein – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist.
6. Für mehr Demokratie durch stärkere Parlamentarisierung
– das Europäische Parlament ins Zentrum stellen und nationale Parlamente stärken
Es bedarf einer stärkeren Demokratisierung von Verfahren und Entscheidungen in der WWU, um europäische Probleme effizient zu lösen und diese Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar zu machen. Die demokratische Legitimation muss daher als elementare Säule einer echten Wirtschafts- und Währungsunion gestärkt werden. Dabei ist zentral, dass die parlamentarische Kontrolle auf der Ebene sichergestellt wird, auf der die Entscheidung getroffen wird. Darüber hinaus sollte aber auch die Ebene angemessen beteiligt werden, auf die sich die Entscheidung auswirkt. Europäisch getroffene Entscheidungen müssen vom EU-Parlament mitgetragen und parlamentarisch kontrolliert werden, während nationale Parlamente vor allem das Handeln ihrer Regierung in Brüssel mitbestimmen und kontrollieren sollten. Auch der Austausch zwischen dem EU-Parlament und den nationalen Parlamenten ist für ein besseres gegenseitiges Verständnis von großer Bedeutung. Deshalb:
Für ein stärkeres EU-Parlament
– Die Rolle des EU-Parlaments muss in allen Verfahren der wirtschaftspolitischen Steuerung gestärkt werden – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist. Neben dem Rat sollte das EU-Parlament mitentscheiden,
o wenn im Rahmen des Europäischen Semesters der Jahreswachstumsbericht oder die länderspezifischen Empfehlungen beschlossen werden,
o wenn im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ein übermäßiges Defizit oder makroökonomisches Ungleichgewicht festgestellt wird,
o wenn im Rahmen eines künftigen Europäischen Währungsfonds die Kredit- und Reformprogramme für sogenannte Krisenländer ausgestaltet werden. Bis zur Schaffung eines solchen Fonds muss die demokratische Kontrolle der Tätigkeit der Institutionen (früher: Troika) deutlich gestärkt werden. Vor allem die EU-Kommission sollte sich stärker als bisher gegenüber dem EU-Parlament verantworten müssen,
o wenn im Rahmen des EU-Investitionsfonds (EFSI) über die Besetzung des Investitions-ausschusses (Entscheidungsgremiums für die Projektauswahl) entschieden wird (ohne Vertragsänderung möglich).
– Das EU-Parlament muss ein eigenes Initiativrecht erhalten, um eigene EU-Gesetzgebung, nicht nur im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion, vorschlagen zu können. Zudem sollte das besondere Gesetzgebungsverfahren (EP-Anhörung) in allen Bereichen der Wirtschafts- und Währungspolitik durch das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (EP-Mitentscheidung) ersetzt werden – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist.
– Das EU-Parlament muss selbst entscheiden dürfen, welche EU-Dokumente und Informationen den EU-Abgeordneten zugänglich gemacht werden müssen. Dies darf keinesfalls der EU-Kommission oder dem Rat obliegen.
– Das EU-Parlament sollte durch ein europaweit einheitliches Wahlrecht gewählt werden, das durch ein System transnationaler Listen ergänzt wird.
Für einen Sonderausschuss für Euro-Fragen innerhalb des EU-Parlaments
– Absage an Euro-Kammer und Euro-Abgeordnete
Das EU-Parlament ist die alleinige parlamentarische Vertretung für die Bürgerinnen und Bürger der EU und somit auch für die EU und ihre Währung, den Euro. Dennoch werden als „Alternative“ zur Stärkung des gesamten EU-Parlaments immer wieder Vorschläge zur Einschränkung des alleinigen EU-Parlamentsstatus oder dessen Spaltung unterbreitet. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob bei EU-Gesetzgebung zu Euro-Themen anstelle des EU-Parlaments eine neu zu gründende Euro-Institution oder lediglich Abgeordnete aus Euro-Staaten mitentscheiden sollen.
Eine Euro-Kammer aus nationalen Parlamentariern à la Joschka Fischer würde die Europäische Integration jedoch ins Jahr 1979, in die Zeit des Doppelmandats, zurückwerfen. Zudem dürfte eine solche Euro-Kammer aufgrund der doppelten Mandatsausübung und damit einhergehenden Arbeitsbelastung kaum arbeitsfähig sein. Wichtiger noch: nationale Parlamentarier vertreten nationale Interessen. Sie könnte demnach das „gegenwärtige Fehlen einer aus Unionsinteresse abgeleiteten demokratisch-parlamentarischen Ausbalancierung des Ministerrats nicht kompensieren.“ (vgl. Maurer, Andreas (2015): Parlamentarisches Regieren in der Eurozone. In: von Alemann, Ulrich / Heidbreder, Eva G. / Hummel, Hartwig / Dreyer, Domenica / Gödde, Anne (Hrsg.): Ein soziales Europa ist möglich. Grundlagen und Handlungsoptionen. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2015, S.311-335).
EU-Parlamentarier sind VertreterInnen der UnionsbürgerInnen und organisieren sich in Fraktionen und nicht anhand ihrer mitgliedstaatlichen Herkunft. Die Idee von unterschiedlichen Stimmrechten (d.h. nur EU-Abgeordnete aus Euro-Staaten dürften bei Euro-Themen abstimmen) würde den EU-Abgeordneten ihre in den Vertragsreformen hart erkämpfte Rolle als VertreterInnen aller EU-BürgerInnen nehmen und mit erste-und-zweite-Klasse-Parlamentarier auch das Prinzip der Gleichheit der EU-Bürgerinnen zerstören. Letztlich wäre das EU-Parlament stärker nationalisiert und seine Rolle als Vertreter gesamteuropäischer Interessen geschwächt. Wer ein starkes Parlament als handlungsfähigen Gegenspieler zum ECOFIN-Rat und der Euro-Gruppe haben möchte, kann solche Vorschläge nicht unterstützen. Ein neues Euro-Zonen-Parlament wird 35 Jahre, die das EU-Parlament im Kampf um seinen Einfluss und sein Ansehen investiert hat, nicht über Nacht aufholen können. Deshalb:
– Das EU-Parlament könnte, z.B. über den Ausschuss für Wirtschaft und Währung, einen Sonderausschuss für Euro-Fragen mit besonderen Informationsrechten gegenüber dem Rat und der EU-Kommission ein
richten. In diesen Ausschuss sollten jedoch alle EU-Abgeordneten entsandt werden können, wobei das EU-Parlament und seine Fraktionen im Rahmen der Geschäftsordnung eine angemessene Präsenz von Abgeordneten aus den Euro-Staaten gewährleisten könnten. Dieser Sonderausschuss allein würde jedoch noch nicht die demokratische Legitimation und Kontrolle europäischer Entscheidungen leisten. Diese Aufgabe kann nur das gesamte EU-Parlament übernehmen. Vielmehr würde der Sonderausschuss maßgeblich zu mehr Effizienz und zur besseren Handlungsfähigkeit beitragen, indem er die notwendigen stärkeren Mitentscheidungsrechte des EU-Parlaments in Euro-Fragen vorbereiten würde.
Für stärkere nationale Parlamente
Wissen ist Macht und die Voraussetzung für Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse. Der Deutsche Bundestag hat mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundestag in EU-Angelegenheiten (EUZBBG) und dem Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG) umfassende Informations- und Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der EU. Dank der erfolgreichen Klage der grünen Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht gelten diese umfassenden Informations- und Mitwirkungsrechte auch bei völkerrechtlichen Verträgen und intergouvernementalen Vereinbarungen, wenn sie in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum EU-Recht stehen. Auch bei Entscheidungen über Kreditprogramme im Rahmen des ESM sind umfassende Beteiligungs- und Mitentscheidungsrechte verfassungsrechtlich geboten, da der Bundeshaushalt die Kreditpakte zum Teil garantiert. Allerdings verfügt nur eine Minderheit an nationalen Parlamenten über diese informierten Mitwirkungsrechte. Deshalb:
– Damit nationale Parlamente das Handeln ihrer Regierung im Rat besser kontrollieren können und gleichzeitig der Dialog mit der EU-Kommission gestärkt wird, sollte Artikel 12 der EU-Verträge geändert werden und für nationale Parlamente ein Mindeststandard an Informationsrechten gegenüber der jeweiligen nationalen Regierung und der EU-Kommission festgelegt werden. Erstens sollten alle nationalen Regierungen auf bestimmte Informations- und Unterrichtungsrechte für ihre nationalen Parlamente verpflichtet werden. Zweitens sollte den nationalen Parlamenten ein begrenztes Fragerecht gegenüber der EU-Kommission für länderspezifische Angelegenheiten eingeräumt und im Gegenzug der EU-Kommission eigene Kommunikationsmöglichkeiten mit den nationalen Parlamenten eröffnet werden (Besuch von Ausschuss- und Parlamentssitzungen). Drittens sollte der Frühwarnzeitraum der Subsidiaritätskontrolle verlängert werden, während Vetos im Gesetzgebungsprozess (Rote Karte) für einzelne nationale Parlamente abzulehnen sind.
Für einen stärkeren Austausch zwischen nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament
Mit der sogenannten Artikel-13-Fiskalvertragskonferenz wurde neben der COSAC eine weitere Möglichkeit zum Austausch der Parlamente, insbesondere in Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion, geschaffen. Solche Austauschforen sind von großer Bedeutung, da sie zu gegenseitigem Verständnis beitragen und einen Austausch über best-practices ermöglichen. Die Konferenz sollte jedoch ihren derzeitigen Vortragscharakter verlieren und stärker zu einer Plattform für den Austausch von Meinungen und Ideen werden und zur besseren Vernetzung nationaler Parlamentarier beitragen. Die stärkere Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten ist jedoch keinesfalls ein überzeugendes Konstrukt zur Legitimierung rein intergouvernementaler Politik noch verkörpert sie die notwendige parlamentarische Kontrolle und Mitentscheidung europäischer Beschlüsse. Dies obliegt alleinig dem EU-Parlament als direkt gewählte, repräsentativ besetzte parlamentarische Vertretung aller UnionsbürgerInnen.
7. Für eine Stärkung des Europäischen Semesters als wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument
Das EU-Semester ist neben dem reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt und dem geplanten EU-Investitionsfonds ein zentrales Instrument für die wirtschaftspolitische Steuerung in der EU. Nur wenn Verfahren und Ziele von allen ernstgenommen werden, können die entstandenen Ungleichgewichte in der EU abgebaut und die für die Zukunft Europas wichtigen Ziele der EU-2020-Strategie erreicht werden. Leider erweist sich die bisherige Umsetzung des Europäischen Semesters als unzureichend. 2012/2013 haben die EU-Mitgliedstaaten nur 12 Prozent der länderspezifischen Empfehlungen von EU-Kommission und Rat auch tatsächlich umgesetzt. 2013/2014 waren es mit 10 Prozent noch weniger und auch 2014/2015 verzeichnete keine bessere Bilanz. Zudem werden wichtige Ziele der EU-2020-Strategie wie der Kampf gegen Armut oder den Klimawandel bei den Empfehlungen teilweise einfach ausgeblendet. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich: Das Europäische Semester muss als wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument weiterentwickelt werden. Deshalb:
Verfahren und Ziele brauchen mehr Parlamentsbeteiligung, mehr Transparenz durch öffentliche Debatte, mehr Verbindlichkeit und mehr inhaltliche Steuerung:
– Mehr Parlamentsbeteiligung
Nachvollziehbarkeit und Berechenbarkeit von Verfahren sowie Verantwortlichkeit für Entscheidungen sind fundamentale Elemente einer jeden Demokratie. Daher muss die Politik auch bei der wirtschaftspolitischen Steuerung eine öffentliche Debatte und Entscheidungsfindung wagen. Zentrale Beschlüsse dürfen nicht nur zwischen der EU-Kommission und nationalen Regierungen und ihren Bürokratien ausgehandelt werden. Vielmehr müssen die Parlamente stärker als bisher ins Zentrum rücken. Nur so kann die demokratische Legitimation für weitreichende Entscheidungen erhöht und zu einem stärkeren nationalen Verantwortungsbewusstsein für die Umsetzung von Reformbeschlüssen beigetragen werden.
o Stärkung des EU-Parlaments
Das EU-Parlament sollte über den Jahreswachstumsbericht und die länderspezifischen Empfehlungen mitentscheiden – auch wenn hierfür eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist.
o Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament intensivieren
Das Nationale Reformprogramm sollte von Regierung und Parlament erarbeitet und im jeweiligen nationalen Parlament beschlossen werden, nachdem eine öffentliche Debatte in den zuständigen Ausschüssen und im Plenum stattgefunden hat. Auf EU-Ebene sollte über größere Reformpläne diskutiert werden, bevor auf nationaler Ebene endgültig entschieden wird. Dies würde der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten erlauben, potenzielle Spill-over Effekte national geplanter Maßnahmen zu bewerten und ggf. korrigierend Einfluss zu nehmen.
o Dialog mit der EU-Kommission
Bei der Erarbeitung der länderspezifischen Empfehlungen sollte die EU-Kommission nicht nur Gespräche mit der nationalen Regierung und den Ministerialverwaltungen, sondern auch mit den nationalen Parlamenten führen. Beispielsweise könnten VertreterInnen der
EU-Kommission zu Vorabberatungen in die Ausschüsse eingeladen werden. Nachdem die EU-Kommission die länderspezifischen Empfehlungen vorgeschlagen hat, sollte im Plenum der nationalen Parlamente – in Anwesenheit und mit Rederecht eines EU-Kommissionsvertreters bzw. einer EU-Kommissionsvertreterin – über die Ausgestaltung der eigenen länderspezifischen Empfehlungen debattiert werden.
o Prinzip von Mittragen oder Begründen (comply-or-explain-Prinzip)
Die Ausschüsse und das Plenum der nationalen Parlamente sollten darauf hinwirken, dass sich die nationalen Regierungen für Änderungen des Rates an den länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission rechtfertigen müssen. Zudem sollte die Regierung im Rahmen des Beratungsprozesses zum Nationalen Reformprogramm des Folgejahres die ggf. mangelnde Umsetzung länderspezifischer Empfehlungen sowie der Fortschritte bei den Kernzielen der EU-2020-Strategie in Ausschusssitzungen und im Plenum begründen.
– Mehr Transparenz durch öffentliche Debatte
Alle diesbezüglichen Diskussionen des Rates, des Europäischen Parlamentes und der Nationalen Parlamente müssen nachvollziehbar sein. Daher sollte die Öffentlichkeit Zugang zu allen Sitzungen erhalten (via live-streams etc.). Auch die Beiträge der Sozialpartner sollten öffentlich gemacht werden.
– Mehr inhaltliche Steuerung und mehr Verbindlichkeit
o EU-2020-Strategie umsetzen
Der Jahreswachstumsbericht, die Nationalen Reformprogramme und die länderspezifischen Empfehlungen sollten stärker auf die Kernziele und Integrierten Leitlinien der EU-2020-Strategie ausgerichtet werden. Nur so können alle Ziele, auch zu Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Bildungsqualität, stärker in den Fokus einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik rücken und ihren gleichberechtigten Stellenwert erhalten.
o Verbindliche Ziele und Empfehlungen
Bei der Umsetzung der EU-2020-Strategie sollte vereinbart und transparent gemacht werden, welcher EU-Mitgliedstaat welchen verbindlichen Beitrag zur Erreichung der gemeinsam festgelegten Kernziele leisten muss. Dazu ist es notwendig, dass sich alle Mitgliedstaaten auf ein einheitliches System von Indikatoren einigen.
Zudem muss die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen verbindlich werden: Mit der Verabschiedung der länderspezifischen Empfehlungen durch den Rat der EU (und perspektivisch dem Europäischen Parlament) könnte auf Vorschlag der EU-Kommission ein konkreter Zeitplan zur Umsetzung der Maßnahmen und Reformen vereinbart werden. Abweichungen müssten vom jeweiligen EU-Mitgliedstaat eingehend begründet werden, so dass unter Umständen der vereinbarte Umsetzungspfad geändert werden kann. Als Begründung könnten insbesondere kurzfristige negative Effekte bestimmter Reformmaßnahmen für soziale Ungleichheit und Armut, die Beschäftigungslage, die Inflationsentwicklung oder das Wirtschaftswachstum gelten. Falls die Begründung jedoch als unzureichend erachtet wird, sollte geprüft werden, ob als letztendlicher Durchsetzungsmechanismus Strafzahlungen vorgesehen oder Fördermittel aus dem EU-Haushalt zeitweise eingefroren werden. Das Einfrieren von Fördermitteln sollte dort geschehen, wo sie den größten Effekt auf die jeweilige Regierung und den geringsten auf die Bevölkerung haben.
o Finanzielle Unterstützung
Zu prüfen sind auflagengebundene Mittel aus dem EU-Haushalt zur Umsetzung besonders kostenintensiver Reformtätigkeiten und flankierender Maßnahmen. Hierfür sollten insbesondere die neuen Europäischen Struktur- und Investitionsfondsprogramme genutzt werden. Eventuell zusätzlich bereitgestellte Finanzmittel müssen Bestandteil des EU-Haushalts sein und unter die Kontrolle des Europäischen Parlaments gestellt werden.
8. Für eine stärkere haushaltspolitische und makroökonomische Überwachung
Mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts (six/two-pack) wurde die haushaltspolitische Überwachung gestärkt und ein neues Verfahren zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte eingeführt. Die im Rahmen des sogenannten two-packs eingeführte Überprüfung nationaler Haushaltspläne durch die EU-Kommission hat jedoch nach wie vor weitestgehend unverbindlichen Charakter. Auch die Indikatoren des sogenannten Scoreboard zur Bewertung makroökonomischer Ungleichgewichte sollten breiter als bisher aufgestellt sein. Deshalb:
– Entspricht ein nationaler Haushaltsentwurf nicht den europäischen Vereinbarungen des Stabilitäts- und Wachstumspacks oder der EU2020-Strategie sollte die EU-Kommission – unter Beteiligung des EU-Parlaments – den Haushaltsentwurf ablehnen dürfen und die Regierung des betroffenen Mitgliedstaats auffordern können, den Entwurf anzupassen – auch wenn hierfür eine Änderung der Verträge notwendig ist. Die im two-pack vorgesehene, bisher unverbindliche Stellungnahme zum einzelstaatlichen Haushalt würde so bindenden Charakter erhalten.
Die Haushaltssouveränität der nationalen Parlamente würde weiterhin bestehen: Empfehlungen der EU-Kommission sollten von den Regierungen und nicht von den Parlamenten in den Haushaltsentwurf eingearbeitet werden. Die nationalen Parlamente könnten wie bisher den von der nationalen Regierung vorlegelegten Haushaltsentwurf ändern. Käme es mit dem Haushaltsbeschluss zu einem Verstoß gegen europäische Vorgaben, sollte ein beschleunigtes Defizitverfahren eingeleitet werden.
– Das sogenannte Scoreboard zur Bewertung von Risiken und zur Korrektur von übermäßigen Ungleichgewichten sollte um zentrale beschäftigungs- und sozialpolitische Indikatoren wie Erwerbsbeteiligungsquote, Langzeitarbeitslosenquote, Jugendarbeitslosenquote und die Quote der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohter Personen sowie um Indikatoren für die Bewertung der Ressourceneffizienz erweitert werden. Grundsätzlich sollten die Schwellenwerte zur Feststellung makroökonomischer Ungleichgewichte weitestgehend symmetrisch festgelegt werden, so dass übermäßige Ungleichgewichte in beide Richtungen vermieden und korrigiert werden können.
9. Für einen Schuldentilgungsfonds mit Europäischen Anleihen
Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa hat große Schuldenberge hinterlassen. Es bedarf eines europäischen Rahmens für den Abbau der exzessiven Verschuldung, in dem jedes Land für seine Schulden weitestgehend verantwortlich bleibt. Deshalb:
– Der vom EU-Parlament im Rahmen des t
wo-packs unterstützte Vorschlag des Sachverständigenrats (SVR) der Bunderegierung über einen Altschuldentilgungsfonds sollte neu aufgegriffen werden – auch wenn hierfür eine Änderung der Verträge notwendig ist. Dem Fonds sollten alle Schulden zugeführt werden, die die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte Grenze von 60% des BIP übersteigen. Die Übertragung sollte sukzessive bei Ablauf der jeweiligen nationalen Anleihen erfolgen. Ziel soll sein, die überführten Schulden in 20 bis 25 Jahren zu tilgen, um letztendlich einen Schuldenstand von 60% zu erreichen. Der SVR schlägt vor, die an den Fonds übertragenen Anleihen bis zum Auslaufen des Fonds über europäische Anleihen mit gesamtschuldnerischer Haftung zu finanzieren. Die Schulden müssten aber weiterhin von den jeweiligen Nationalstaaten zurückgeführt werden und die gemeinschaftliche Haftung dient nur der Absicherung im Falle des Ausfalls einer der beteiligten Länder. Die zugrunde liegende Idee ist, dass europäische Anleihen zu einem wesentlich günstigeren Zinssatz vergeben werden könnten als nationale Anleihen von Staaten, die an den Märkten unter Druck geraten. Die dadurch niedrigere Zinslast soll so den Spielraum geben, um die Schulden perspektivisch zurückzuführen.
10. Für europäisch koordinierte Zukunftsinvestitionen
Europa ist wirtschaftlich in einer schwierigen Lage: Die Arbeitslosigkeit ist besorgniserregend hoch, besonders unter Jugendlichen. Die Schuldenquoten sind in fast allen EU-Mitgliedstaaten gestiegen. Die wirtschaftliche Entwicklung in der EU driftet immer weiter auseinander, anstatt mehr Konvergenz und gemeinsame Wohlfahrt zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass Europa eine besser koordinierte Wirtschaftspolitik mit mehr öffentlichen und privaten Investitionen braucht. Deshalb:
– EU-Investitionsfonds für private und öffentliche Investitionen
Der von EU-Kommissionspräsident Juncker vorgeschlagene EU-Investitionsfonds (EFSI) bietet die Chance, mehr Zukunftsinvestitionen europäisch zu generieren, zu steuern und finanziell zu unterstützen. Es wird sich allerdings erst noch zeigen müssen, ob der geplante EU-Investitionsfonds tatsächlich zu signifikant mehr nachhaltigen und innovativen Investitionen mit mehr Beschäftigung führt. Dafür sollte der EFSI europäische Projekte im Einklang mit der EU-2020-Strategie und im Sinne eines Green New Deal sowie Kleine und Mittlere Unternehmen und start-ups fördern. Europa braucht dringend mehr Investitionen in Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und -netze, schnelles Internet, Schieneninfrastruktur, Umweltschutz sowie Forschung und Bildung. Zudem müssen Investitionen dorthin fließen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Dafür bedarf es europäischer, demokratischer und transparenter Entscheidungsstrukturen, damit der Fonds kein nationaler Selbstbedienungsladen wird. Der EU-Investitionsfonds sollte Investitionsrisiken mindern und die Investitionsdynamik wieder ankurbeln. Er sollte aber weder privaten Investoren risikolose Gewinne zuschanzen noch unnötig teure ÖPP-Projekte finanzieren.
– EU-Haushalt für öffentliche Investitionen stärken
Europa braucht neben höheren privaten Investitionen auch mehr öffentliche Investitionen. Dafür sollte der EU-Haushalt aufgestockt, über die bisherigen Strukturfonds hinaus bessere Möglichkeiten für die Förderung von öffentlichen Investitionen geschaffen und endlich neue Eigenmittelquellen (bspw. Finanztransaktionssteuer, Abgaben auf Kerosin oder Einnahmen aus CO2-Emissionshandel) erschlossen werden.
– Europäischer Steuerpakt für Zukunftsfonds innerhalb des EU–Haushalts
Jedes Jahr gehen den EU-Mitgliedstaaten eine Billion Euro durch Steuervermeidung und -hinterziehung verloren. Ein Europäischer Steuerpakt könnte die Kooperation der Staaten in Steuerfragen verbessern und so die Steuervermeidung und -hinterziehung in Europa stärker unterbinden. Von diesen Mehreinnahmen könnte ein fester Anteil (ca. 20 Mrd. Euro) von den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit in den EU-Haushalt eingezahlt und gezielt zur Förderung von öffentlichen Zukunftsinvestitionen über die bisherige Kohäsionspolitik hinaus eingesetzt werden. Ziel des Zukunftsfonds wäre, öffentliche Investitionen in den unterschiedlichsten Regionen der EU anzustoßen und mit der Strukturpolitik zur Förderung der rückständigsten Regionen in der EU zu verbinden. Von den Mitteln sollten jedoch nur die Regionen und Kommunen in den Mitgliedsstaaten profitieren, die sich im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit an der Umsetzung des Steuerpakts beteiligen. Die Vergabe von Fördergeldern aus dem Fonds sollte von der Qualität der Projekte und der Notwendigkeit der Investition zur Erreichung der EU 2020 Ziele abhängig gemacht werden. Die Kontrolle der Mittel bliebe beim Europäischen Parlament als EU-Haushaltsgesetzgeber.
11. Für eine voll integrierte Fiskal- und Wirtschaftsunion als langfristiges Ziel
Bisher ist es vor allem die Aufgabe nationaler Fiskalpolitik, auf länderspezifische Schocks zu reagieren. Wenn jedoch Risiken langfristig gemeinschaftlich abgefedert werden sollen, bedarf es weitergehender Instrumente. Deshalb:
– Eine voll integrierte Fiskal- und Wirtschaftsunion könnte über eine ausreichend ausgestattete Fiskalkapazität und über weitergehende Mechanismen verfügen, die wirtschaftspolitische Entscheidungen in den EU-Mitgliedstaaten durchsetzen können. Dafür müssten weitere Hoheitsrechte übertragen werden – was nicht nur eine Änderung der EU-Verträge, sondern unter Umständen auch eine Änderung des Grundgesetzes mit sich bringen würde. Die Fiskalkapazität könnte über Stabilisierungsinstrumente verfügen, die zur Anpassung asymmetrischer Schocks und Blasen beitragen würden. Ein derartiger Mechanismus sollte auf kurzfristige Asymmetrien und zyklische Entwicklungen reagieren, strukturelle Reformen fördern und an politische Bedingungen und Zielsetzungen (EU2020-Stratgie) geknüpft sein. In wirtschaftlich guten Zeiten sollte dieses Instrument finanzpolitische Sparmaßnahmen fördern, in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs zusätzliche finanzielle Unterstützungsmaßnahmen leisten. Ein solches Instrument würde als Absicherungssystem fungieren, durch das Risiken wirtschaftlicher Schocks von allen Mitgliedstaaten getragen würden. Die Fiskalkapazität sollte innerhalb des EU-Haushalts aufgebaut werden, unter voller Kontrolle des EU-Haushalts stehen und durch eine innerhalb der EU-Kommission geschaffene Finanzverwaltung verwaltet werden.
– Beispielsweise könnte geprüft werden, wie europäische Sozialsysteme als automatische Stabilisatoren gegen asymmetrische wirtschaftliche Schocks wirken können. Ein Teil dieses europäischen Sozialsystems könnte eine europäische Basis-Arbeitslosenversicherung sein – auch wenn hierfür eine Änderung der Verträge notwendig ist.
12. Für mehr soziales Europa
Bislang gilt, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt grenzüberschreitend ist, die soziale Sicherung jedoch häufig an den nationalen Grenzen halt macht. Die Schieflage zwischen der Reichweite wirtschaftlicher und sozialer Regelungen muss behoben werden. Deshalb:
– Soziales Europa bedeutet eine stärkere Koordinierung und Harmonisierung sowie europaweite Mindeststandards im Bereich der sozialen Sicherung.
– Die EU-Verträge sollten um eine soziale Fortschrittsklausel ergänzt werden. So könnte sichergestellt werden, dass soziale Schutz- und Arbeitnehmerrechte in der EU den gleichen Stellenwert haben wie die Dienstleistungsfreiheit und der Binnenmarkt.
– Im Warnmechanismus des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens sollte die Anzahl der beschäftigungs- und sozialpolitischen Indikatoren erhöht werden, damit auch die soziale Auswirkungen makroökonomischer Ungleichgewichte sichtbarer und in der Folge wirksamer reduziert werden können.
– Die europäische Jugendgarantie muss zu einem schlagkräftigeren Instrument werden, um neben anderen Maßnahmen wie Strukturreformen und Investitionen in Bildung zur Bekämpfung der besorgniserregend hohen Jugendarbeitslosigkeit entscheidend beitragen zu können.
13. Für mehr europäische Kommunikation statt nationale Debatten
Europäisches Miteinander lebt von gegenseitigem Verständnis, Verhandlungsbereitschaft und Solidarität. Von den nationalen Regierungen wird Europa jedoch viel zu oft als Nullsummenspiel kommuniziert: Einer verliert, was der andere gewinnt. EU-Gipfel enden nicht selten mit nationalen Pressekonferenzen, in denen nach dieser Logik kommuniziert wird. Dieses Spiel sollte beendet und stattdessen Sinn und Vorteil europäischer Kompromisse in den Vordergrund der politischen Kommunikation gerückt werden. Nationale Debatten sollten stets im europäischen Kontext stattfinden. Wenn Bürgerinnen und Bürger auch UnionsbürgerInnen werden sollen, müssen sie in die Lage versetzt werden, das politische Handeln der Regierungen auf europäischer Ebene und die unterschiedlichen Interessenlagen in Europa nachvollziehen zu können. Demokratie braucht Öffentlichkeit, auch die europäische. Deshalb:
– Alle europäischen und nationalen Akteure sollten mit Hilfe ihrer Öffentlichkeitsarbeit Politik erklären, Verständnis für schwierige Entscheidungen schaffen und Bürgerinnen und Bürger von Sinn und Vorteilen politischer Projekte überzeugen. Gerade in Zeiten der Euro-Krise ist die europapolitische Kommunikation von zentraler Bedeutung, um den Menschen die Notwendigkeit wichtiger Entscheidungen zu erklären und sie dabei mitzunehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Europäisierung der bisher stark national bzw. sprachlich fragmentierten Öffentlichkeit in Europa voranzutreiben. Wer Verständnis füreinander und ein starkes Europa will, der muss sich vom Politikstil des nationalen Interesses verabschieden, den Angela Merkel mit der Außendarstellung ihrer Europapolitik stilbildend für die ganze EU geprägt hat. Seit Jahren findet in Deutschland die Europadebatte auf der Grundlage einer Kommunikationspolitik der Kanzlerin statt, in der das Werben für die weitere europäische Einigung in Krisensituationen immer hinter dem nationalen Argument zurückfällt und der Mut zu weiteren europäischen Schritten stets durch innenpolitische Erwägungen gebremst wird. Die weitere Integration der Wirtschafts- und Währungsunion wird nur in einer politischen Öffentlichkeit zu erreichen sein, in der ein Bewusstsein für gemeinsame und unterschiedliche Interessen und ein Verständnis für Kompromissfindung und Europäisierung von Prozessen geschaffen wird. Dafür braucht es mehr europäische Kommunikation durch die Regierungen, durch Graswurzelbewegungen und natürlich durch die Medien.
– Städtepartnerschaften, kommunale Partnerschaften und Netzwerke haben viel zu Toleranz, gegenseitiger Verständigung und zum Zusammenwachsen in Europa beigetragen. Auch heute noch ist dies ein wesentliches Ziel des EU-Förderprogramms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“. Diese Partnerschaften sollten gezielter genutzt werden, um etwa im Rahmen gemeinsamer Bürgerforen europäisches Handeln und europapolitische Entscheidungen den Menschen vor Ort zu erklären.
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