Wie setzen Sie und ihre Partei sich mit den Risiken der Frackingmethode auseinander? Wie stehen Sie zu einem Moratorium für die Aufsuchung, Erkundung und Förderung unkonventioneller Gasvorkommen?
Die Bundestagfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich als erste und lange Zeit als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag kritisch mit dem Thema Fracking auseinandersetzt, lange bevor es ein großes Thema in der Öffentlichkeit wurde. Auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat sowohl auf Bundesebene als auch in ihren einzelnen Gliederungen sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und zahlreiche Mitglieder sind in entsprechenden Initiativen aktiv.
Auch der Landesvorstand der Grünen Hamburg hat jüngst einen Beschluss gefasst, der Gas-Fracking eine klare Absage erteilt (https://bit.ly/11OOXLW).
Die Grünen haben als Regierungspartei in NRW dafür gesorgt, dass es ein Fracking-Moratorium gibt, das Maßstab für andere Bundesländer ist. Wir haben in den Bundestag und über die Grün-regierten Länder in den Bundesrat zahlreiche Initiativen eingebracht, Fracking nicht zuzulassen. Die Forderung nach einem Moratorium haben wir bereits im Oktober 2012 in Form eines Antrags (https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/112/1711213.pdf) in den Deutschen Bundestag eingebracht, welcher jedoch von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt wurde. Die entsprechende Initiative der Grünen Bürgerschaftsfraktion Hamburg ist hier zu finden: https://bit.ly/178KljA.
Über diesen Antrag hinaus haben Bündnis 90/Die Grünen in den Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der Fracking rechtssicher ausschließen würde. Diesen Gesetzentwurf haben wir bewusst im Parallellauf mit der Initiative aus Schleswig-Holstein eingebracht, um im Bundestag und im Bundesrat eine identische Gesetzesalternative zum Frackingfördergesetz der schwarz-gelben Bundesregierung zur Abstimmung stellen zu können, der Fracking konkret verhindert. Wer Fracking nicht zulassen und den Gesetzentwürfen der Bundesregierung konkret etwas entgegensetzen will – und darum geht es uns – muss auch konkrete Gesetzesformulierungen liefern, wie dies rechtssicher umgesetzt werden soll. Genau das leistet der Gesetzentwurf aus Schleswig Holstein. Es reicht nämlich nicht Verbote zu fordern, dann aber konkrete Gesetzesformulierungen schuldig zu bleiben, die nicht gleich bei der ersten Klage der Gasindustrie vom Gericht gekippt werden. Dieser Gesetzentwurf gibt natürlich nicht die vollständige Position von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Fracking wieder – das tut eine Gesetzformulierung auch nie. Unsere Position haben wir in zahlreichen Anträgen und Beschlüssen ausgedrückt. Unser Gesetzentwurf lässt Fracking in Deutschland nicht zu, denn es gibt auch kein Green-Fracking, das ist ein Fata Morgana der Gasindustrie.
Unsere Position haben wir auch im Wahlprogramm klar festgelegt. „Die Förderung von unkonventionellem Erdgas insbesondere mittels giftiger Chemiekalien („Fracking“) lehnen wir wegen der unabsehbaren Gefahren für Gesundheit und Umwelt ab. Sie behindern zudem Klimaschutz und Energiewende. Giftige Lagerstättenwasser dürfen nicht wieder verpresst werden.“
Wie stehen Sie und ihre Partei zu den sogenannten Aufsuchungsgenehmigungen die erteilt werden sollen und schon erteilt sind ?
In Hamburg hat der SPD-Senat trotz Warnungen seiner Umweltbehörde der bergrechtlichen Erlaubnis zur Aufsuchung von Erdgas im „Erlaubnisgebiet Vierlande“ zugestimmt. Er hat damit bewiesen, dass ihm Transparenz, Umweltbelange und Verbraucherschutz völlig gleichgültig sind. Die Vier- und Marschlande sind eines der größten Trinkwassergebiete Hamburgs. Naturschutzgebiete und dicht besiedelte Teile Bergedorfs und Harburgs gehören zum Erkundungsgebiet. Eine entsprechende Stellungnahme der Umweltbehörde, die sich gegen eine Erlaubnis ausspricht, wurde vom Hamburger SPD Senat ignoriert. Dabei ist aus Sicht der BSU eine Aufsuchungserlaubnis bereits im Vorfeld (also ohne dass konkrete Aufsuchungshandlungen stattfinden) auszuschließen. Zur Begründung beruft sich die Behörde auf wasserwirtschaftliche Belange (Trinkwassergefährdung für ganz Hamburg), naturschutzfachliche Überlegungen sowie die Einstufung des Erlaubnisfeldes als „dicht bebautes urbanes Siedlungsgebiet.“ Diese Gesichtspunkte sind nicht berücksichtigt worden, obwohl vor der Entscheidung über die Aufsuchungserlaubnis eine Interessenabwägung hätte erfolgen müssen – wie sonst soll beurteilt werden, ob das öffentliche Interesse überwiegt oder nicht.
Stattdessen hat der Senat wieder einmal zu Gunsten der großen Energiekonzerne entschieden. Das mögliche Ergebnis der Politik des Hamburger Senats ist absurd: Der Einsatz einer höchst umstrittenen Technologie inmitten einer Millionenmetropole und Naturschutzgebieten.
In den meisten Fällen haben Landesregierungen nach der aktuellen Rechtslage keine ausreichenden Möglichkeiten, Aufsuchungslizenzen zu versagen. Die hessische Umweltministerin Puttrich hat dies zwar im Fall einer von dem Unternehmen BNK Petroleum beantragten Aufsuchungslizenz getan, doch nach Ansicht vieler Experten war dies rechtswidrig. (Siehe auch https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/hessens-umweltministerium-setzte-bescheid-gegen-fracking-durch-a-914625.html) Eine erteilte Aufsuchungslizenz berechtigt aber bekanntermaßen noch lange nicht dazu, das Fracking-Verfahren einzusetzen. Um dies zu verhindern, haben die Grünen als Regierungspartei in NRW und Schleswig-Holstein dafür gesorgt, dass es ein Fracking-Moratorium gibt, das Maßstab für andere Bundesländer ist.
Wie werden Sie und ihre Partei dafür sorgen, dass vertraulich und als Betriebsgeheimnis deklarierte Unterlagen zum Fracking veröffentlicht werden und zugänglich sind?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben wiederholt gefordert, dass die Substanzen, die zum Fracking eingesetzt werden, vollständig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Dies ist aber nicht unser primäres Ziel sondern wir lehnen Fracking generell ab.
Wie unterstützen Sie und ihre Partei die „ Korbacher Resolution „ ?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können die Korbacher Erklärung leider nicht in allen Punkten unterstützen. Während die Punkte 3-5 genau unserer Beschlusslage entsprechen, sind die Punkte 1 und 2 aus unserer Sicht nicht erfüllbar.
Wir wollen mit einem Anti-Fracking-Gesetz zielgenau Gas- und Ölfracking verhindern, nicht aber auch konventionelle Tiefenbohrung generell verbieten, die ohne Unmengen an Wasser, Sanden und Chemikalien auskommen. So würden auch jegliche Geothermie-Projekte sowie auch Teile der konventionellen Gasförderung unmöglich gemacht werden. Auch wenn wir das fossile Energiezeitalter so schnell wie möglich beenden wollen, wird konventionelles Erdgas als der fossile Brennstoff mit den geringsten CO2 Emmission
en als Brückentechnologie für eine begrenzte Zeit benötigt werden, solange das Ziel 100 % Erneuerbare noch nicht erreicht ist.
Auch das Versprechen eines generellen Handels- und Importverbots von „gefrackten“ fossilen Energieträgern wäre rechtlich und technisch nicht einzuhalten und ökologisch nicht durchweg schlüssig argumentierbar.
Wir Grüne wollen den Eindruck vermeiden, dass wir diese unerfüllbare Forderung – selbst bei einer Grünen Regierungsbeteiligung – tatsächlich umsetzen könnten. Wir haben uns stattdessen in der zu Ende gehenden Legislaturperiode vehement für die Schaffung von mehr Transparenz und Offenlegung der Handelswege im Rohstoffbereich gefordert, damit sich die sozialen und ökologischen Bedingungen in diesen Ländern verbessern und die VerbraucherInnen selbst Einfluss nehmen können.
Der sicherste Weg ökologische Schäden bei der Öl- und Gasförderung zu vermeiden, ist ohnehin der schnelle Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien. Statt mit Gas schlecht isolierte Wohnungen zu beheizen, wollen wir die energetische Gebäudesanierung massiv steigern und mit dem Gas dezentral Strom und Wärme in Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig erzeugen. Genau dafür setzen wir uns ein.
Wie werden Sie und ihre Partei sich gegenüber dem Verpressen von Lagerstättenwasser und Fracking-Flüssigkeit positionieren, einer seit Jahren praktizierten Methode der Abfallbeseitigung ?
Wir lehnen das Verpressen von giftigen Lagerstättenwasser und der Frackingflüssigkeiten ab. Dies haben wir auch in unserem Beschluss des Landesvorstandes festgeschrieben: „Verbot unterirdischer Verpressung giftiger Lagerstättenwasser aus der Öl- und Gasförderung“. Auch das Wahlprogramm der Grünen ist hier deutlich: „Giftige Lagerstättenwasser dürfen nicht wieder verpresst werden.“
Wie stehen Sie und ihre Partei zu Kriterien für Umweltverträglichkeitsgen (UVP), welche Rolle spielen ökonomische und ökologische Aspekte dabei?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten die UVP für eine gute und sinnvolle Ergänzung des rechtlichen Inventars um massive Umweltverschmutzungen vorzubeugen. Es ist aber kein Allheilmittel und keine Garantie dafür, dass Vorhaben, die eine UVP durchlaufen haben keinerlei Umweltauswirkungen haben. Sie ist vielmehr ein Mittel bei unvermeidlichen Eingriffen – wozu Fracking nicht gehört – die Umweltauswirkungen zu minimieren.
Wie werden Sie und ihre Partei Einfluss nehmen auf die zu erwartenden grossflächigen Versiegelungen bei extensiver Gasförderung ?
Wir nehmen an, dass sie sich auf die erhöhte Flächeninanspruchnahme und -versiegelung durch die Vielzahl der Bohrstellen beim Fracking beziehen. Diese erhöhte Landnutzung mit der einhergehenden Flächenversiegelung sehen wir sehr kritisch, dieses ist ein weiterer Grund weshalb wir Fracking ablehnen. Die britischen „Global Energy Watch Group“ geht von einer durchschnittlichen Dichte von 1,5 Bohrstellen pro Quadratmeter aus. Für das ausgewiesene Gebiet „Vierlande“ (150 km²) würde das ungefähr 225 Bohrstellen bedeuten. Da sich die Förderung aber immer auf bestimmte Flächen mit ausreichender Ergiebigkeit konzentriert, kann die Bohrstellendichte an einzelnen Orten höher sein.
Wie werden Sie und ihre Partei dauerhaft dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Schadenfall versichert sind und es nicht zu langwierigen Gerichtsprozessen kommt?
Unsere Vorschläge dafür, dass Geschädigte künftig ihre Schäden besser ersetzt bekommen siehe unter Antwort 9. Gerichtsprozesse sind an sich elementarer Bestandteil eines Rechtsstaates. Eine Einschränkung dieser Rechte lehnen wir ab. Es steht allen Parteien eines Streites zu den Weg zu den Gerichten zu nutzen, insofern sind langwierige Gerichtsprozesse nicht vom Gesetzgeber zu vermeiden.
Wie werden Sie und ihre Partei die Beweislastumkehr bei Gebäudeschäden durch Erdstöße und andere Ereignisse den Bürgerinnen und Bürgern garantieren ?
Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in der ablaufenden Legislaturperiode explizit eine umfassende Reform des Bundesberggesetzes gefordert, und hierzu als bisher einzige Partei umfassende und konkrete Vorschläge gemacht hat und einen entsprechenden Antrag (https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/081/1708133.pdf) in den Bundestag eingebracht, der jedoch von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt wurde. Dieser Antrag baut auf ein von uns in Auftrag gegebenes Gutachten auf. Alle Unterlagen hierzu sowie die Dokumentation unseres Fachgespräches finden sie unter folgendem Link:
Eine der wichtigsten von uns erhobenen Forderungen ist die Einführung einer generellen Bergschadensvermutung mit Beweislastumkehr. Das heißt, im gesamten potentiellen Einwirkungsbereich bergbaulicher Tätigkeiten (z. B. Gebiet mit nachweisbaren Grundwasserabsenkungen im Braunkohlebergbau, Salzabbau, Gesteinsabbau) ist bei typischen Schadensmerkmalen von Bergschäden auszugehen. Gegebenenfalls muss der Bergbautreibende nachweisen, dass es sich nicht um einen Bergschaden handelt.
Wie werden Sie und ihre Partei das veraltete Bundesberggesetz (BbergG) in der kommenden Legislaturperiode verändern?
Ja, das haben wir ganz konkret vor, siehe auch Antwort zu Frage 9. Bündnis 90/DIE GRÜNEN sehen im Bundesberggesetz eine nicht mehr zeitgemäße Rechtsgrundlage. Das BBergG ist geprägt von einem starren Über- und Unterordnungssystem ohne wirkliche Bürgerbeteiligung. Dem Bergbau darf aus unserer Sicht nicht per se der höhere Rang eingeräumt werden, sondern es bedarf einer sorgfältigen Abwägung aller Interessen. Die integrierte Umweltverträglichkeitsprüfung als ökologisches Bewertungsinstrument mit Frühwarnfunktion wollen wir stärken und eine generelle Bergschadensvermutung mit Beweislastumkehr einführen.