Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine bekannte Fernsehwerbung kann man aufgrund der Debattenbeiträge abgewandelt so zitieren: „Wer hat denn eigentlich die Parlamentsrechte vor Gericht eingeklagt? – Die Grünen waren es.“
Auch wenn wir im Parlament eine lange gemeinsame Geschichte seit der BBV haben – man kann eigentlich sagen, dass die Urkompetenz für neue Rechte des Bundestages, die durch diese Gerichtsentscheidung und dieses neue Gesetz in einer ganz neuen Qualität ausgelegt werden, die Einführung von Art. 23 im Rahmen der Maastricht-Ratifikation ist –, muss man doch sagen, dass es an der Stelle sehr wichtig war, dass wir Grüne – in Stellvertretung des Parlaments, aber als einzige Fraktion – nach Karlsruhe gegangen sind und diese Rechte eingefordert haben; die FAZ sprach in diesem Zusammenhang ja so treffend von der „Anatomie einer Hintergehung“.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Ursprünglich war es Herr Gauweiler! Den habt ihr noch diffamiert!)
Die gemeinsamen Positionen des Parlaments haben wir auch im Gesetzgebungsprozess gegen die Regierung durchsetzen müssen. Insoweit möchte ich mich dem Dank in alle Richtungen anschließen. Wir haben konstruktiv gearbeitet. Sie wissen auch, dass wir noch weitergehende Vorstellungen hatten, zum Beispiel die Idee, ein Comprehensive Law, ein Europagesetzbuch zu schaffen, in dem alle Beteiligungsrechte zusammengeführt sind. Dennoch war das ein gutes Geschäft für alle Seiten, auch wenn man sich vor Augen hält, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen in Karlsruhe noch argumentiert hat, dass die Bereiche wie der ESM, die EFSF oder andere völkerrechtliche Verträge, die in einem Nähe-Verhältnis zur Europäischen Union stehen, einfach nur Völkerrecht seien und dem Bundestag nur per Letztentscheidungsrecht zugänglich wären. Dass wir diese Baustelle schließen konnten, ist sehr wichtig für die Parlamentsrechte, gerade auch in Zeiten einer Krise, wie wir sie momentan haben.
Dass wir in dieser Krise die Legitimation stärken, um auch die Legitimität der Europäischen Union und der europäischen Einigung gerade in so schwierigen Zeiten zu erhalten, ist sehr wichtig. Vor dem Hintergrund ist es natürlich auch richtig, dass wir als Parlament uns bewusst sind, dass mit dieser ganz neuen Qualität an parlamentarischen Rechten auch Pflichten für uns einhergehen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel Sondersitzungen!)
Dazu gehört die Möglichkeit, dass wir uns dadurch, dass wir viel früher, viel besser und auch über ganz andere Sitzungsformate und Inhalte als bisher unterrichtet werden, auch früher, proaktiver und eigentlich auch konstruktiver als bisher in europäischen Verhandlungen zu Wort melden und so der Bundesregierung unsere Vorstellungen als Parlament zu einem Zeitpunkt mitgeben, zu dem diese noch die Möglichkeit hat, sie in ihre Verhandlungsführung auf europäischer Ebene einzubringen.
Dazu gehört auch, dass beispielsweise die Sitzung, die letzten Freitag zu der sehr misslichen Situation geführt hat, die wir zurzeit haben, erst durch die Gesetzesänderung beim Fiskalvertrag und vollumfänglich erst durch die Gesetzesänderung, die wir heute in Umsetzung der grünen Verfassungsgerichtsklage beschließen, in den gleichen Informationsraum wie die normalen europäischen Verfahren gerät. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir jetzt diese Beschlüsse fassen.
Mit diesen Rechten geht natürlich auch eine Verantwortung für die Abgeordneten einher, ihre Europapolitik darauf auszurichten. Dazu gehört auch, dass wir, wenn wir sensible Informationen erhalten, die vielleicht in anderen Staaten ganz besondere Befindlichkeiten auslösen können, nicht gleich zum Beispiel per E-Mail an die Presse weiterleiten, wie wir es im Fall Irland beispielsweise noch auf einer anderen Rechtsgrundlage erlebt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU])
Dazu gehört auch, dass wir in den europapolitischen Debatten, die wir führen, unsere Aufgabe als Abgeordnete, gerade wenn wir Zugriff auf Dokumente und Inhalte haben oder sogar auf die Verhandlungsführung mit anderen Staaten, beispielsweise in der Euro-Krise, Einfluss nehmen können, in einem Ton und mit einer Empathie gegenüber dem Verhandlungspartner wahrnehmen, dass niemand das Gefühl hat, beim Deutschen Bundestag zum Bittsteller zu werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Das ist ein guter Tag für die Parlamentsrechte und ein guter Tag für die Grünen und alle anderen hier im Haus. Ich denke, dass wir das in den nächsten Jahren gemeinsam noch sehr gut nutzen werden.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)