Thesen zur Zukunft der wirtschaftspolitischen Integration in der EU:
Auf europäischer Ebene ist der wirtschaftliche Integrationsprozess weit vorangekommen. Die exportorientierte Wirtschaft Deutschlands profitiert wie kein anderer Mitgliedstaat vom europäischen Binnenmarkt und den Anstrengungen der EU in Konvergenz und Kohäsion. Die Stabilität des Binnenmarkts und des Euro-Währungsgebiets sind daher gerade für Deutschland von besonders großem Interesse. Auch die mit der Osterweiterung vollzogene Einbindung der Staaten jenseits des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ hat nicht nur die Spaltung Europas überwunden, sondern brachte auch für Deutschland neue wirtschaftliche Impulse. Der europäische Integrationsprozess darf hier aber nicht stehen bleiben. Obwohl im Vertrag von Lissabon verankert ist, dass die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitiken als „Angelegenheit von gemeinsamen Interesse“ betrachten und „koordinieren“, haben die Regierungen in der Vergangenheit de facto national geprägte Wirtschaftspolitik betrieben. Auf diese Weise haben sich – der fortschreitenden Integration im Binnenmarkt zum Trotz – gefährliche Ungleichgewichte aufgebaut, die reduziert werden müssen. Europa war nicht stark genug, um zu verhindern, dass Fehler nationaler Politiken die ganze Gemeinschaft in Gefahr bringen. Die europäische Ausprägung der weltweiten Finanzkrise zeigt: mit wirtschaftspolitischer Kleinstaaterei muss endlich Schluss sein. Auch in Politikbereichen, die bisher im Kern der nationalen Souveränität standen, brauchen wir mehr europäische Kompetenzen. Sonst wird Europa nicht demokratisch legitimiert, die inhaltlichen Antworten auf die Krise zu finden.
„Maastricht“, das zeigt sich heute, ist vor allem ein „Krisenvermeidungsmechanismus“ aber als „Kriseneindämmungsmechanismus“ ungeeignet. Für die Gestaltung der Euro-Verträge von damals hätte es nie eine ernsthafte Finanz- und Wirtschaftskrise wie 2008 geben dürfen. Europa kann es sich nicht leisten, diese Krise wieder zu einem Unfall außerhalb des Gedankengebäudes zu erklären. Krisen sind immanente, in Abständen wiederkehrende Bestandteil einer Marktwirtschaft.
Mit diesem Text unterbreiten wir Vorschläge, wie wir institutionell die Haushalts-, Finanz-, Wirtschafts-, und Sozialpolitik europäisieren und demokratisch legitimieren wollen.
Die Zukunft der europäischen Institutionen
Das missverstandene Fundament
Viele unserer institutionellen Vorschläge erfordern Änderungen der Europäischen Verträge. Dennoch ist es falsch die Zukunft der EU am Reißbrett planen zu wollen oder gar die Erfahrungen der europäischen Integration außen vor zu lassen. Für uns ist auch heute noch gültig, was Robert Schumann schon 1950 sagte: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung.“ Mit dem Vertrag von Lissabon und der EU-Erweiterung, aber auch mit vielen Euro-Rettungsmaßnahmen der letzten Jahre, hat die Europäische Union neue Fundamente geschaffen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Zukunft Europas auf diesen Fundamenten aufbauen muss und es sich nicht leisten kann, ganz neu oder ganz anders anzufangen. Es gehört zu den Ursachen der Krise, dass die tiefgreifende Veränderung der EU – gerade auch als Union der 27 nicht der 15 – immer noch nicht in der Politikgestaltung der Bundesregierung angekommen ist. Die Lösungen aus der Krise werden nicht auf den Wegen zu finden sein, die – wie die Unionsmethode von Kanzlerin Merkel – das Mehrheitsentscheidungsprinzip rückabzuwickeln und mit der Betonung der Euro-Zone als Gruppe der 17 (statt der 25!) neue Grenzen zwischen „altem“ und „neuem“ Europa aufreißen. Die Aufgabe einer „EU-Wirtschaftsregierung“ wird sein, unter Federführung der Gemeinschaftsinstitutionen (EU-Kommission und Europäisches Parlament) die Verständigung zwischen zum Teil höchst unterschiedlichen Interessen von EU-Mitgliedstaaten und Regionen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien friedlich, legitim, fair und demokratisch zu organisieren. Die Auflösung aller Unterschiede und Gegensätze, die als Geschichtskonstante unseren Kontinent prägen, von der EU zu erwarten, ist kleingeistig. Was wir brauchen ist eine demokratischere und legitime Ordnung der supranationalen Union in den Bereichen, in denen wir erkennen, dass „mehr Europa“ gebraucht wird.
Gretchenfrage Legitimität
Ein Grundproblem in der Krise ist das Auseinanderfallen von Entscheidung und Legitimität. Die Krise in der Euro-Zone zeigt einerseits auf, wie wenig der Nationalstaat, durch den seit dem 19. Jahrhundert die Vorstellungswelt der Menschen geprägt und die Legitimation von Herrschaft vorgenommen wird, tatsächlich in der Welt noch zu sagen hat. Die Phänomenologie unserer Welt wird immer diversifizierter, immer globaler. Die Kommunikationsrevolutionen in Transport und Telekommunikation haben nicht erstmals die Welt wirtschaftlich zusammenrücken lassen. Aber noch nie ist das mit einer solchen Geschwindigkeit passiert und noch nie gab es eine derartige globale Ausprägung von Zusammenarbeit und Konkurrenz in kohärenten globalen Märkten. Der Nationalstaat des 20. Jahrhunderts hat spätestens seit Woodrow Wilsons 14 Punkten und der Idee des Völkerbundes 1918 diese Entwicklung erkannt und angefangen mit internationalen und supranationalen Organisation den Einfluss der nationalen Politik auf die Gestaltung der Welt zurückzugewinnen. Die Europäische Union ist – seit der Idee der hohen Behörde aus dem Schumann-Plan von 1950 – unbestritten der erfolgreichste Versuch nicht nur internationaler, sondern sogar supranationaler Organisation.
Andererseits zeigt die Krise in der Euro-Zone auch deutlich auf, wie wenig diese Entwicklung von einer Übertragung der Legitimität auf die europäische Ebene begleitet wurde. Die Legitimation von Herrschaft entsteht auch heute immer noch aus der Einbindung des Einzelnen in die Gruppe der Nation. Europa hat keine „vorgestellte Gemeinschaft“ hervorgebracht, die mächtig und breit genug geteilt wäre, um eine Ordnung nach Vorbild des Nationalstaats des 19. und 20. Jahrhunderts zu errichten.
Dieses Auseinanderfallen von Entscheidung und Legitimation werden wir nicht mit der nächsten Reform als Antwort auf die Krise endgültig auflösen können. Aber: Lösungen der Krise, die nicht auch Legitimationskraft der Europäischen Union politisch stärken, werden die öffentliche Unterstützung für das Integrationsprojekt gefährden.
Von diesen Gedanken ausgehend machen wir Vorschläge für eine institutionelle und inhaltliche Weiterentwicklung der Europäischen Union.
Legitimation durch Identifizierbarkeit und Abwählbarkeit:
„EU-Kommissar/in für Wirtschaft und Finanzen 2.0“
Mit den neuen Regeln und Instrumenten im Stabilitäts- und Wachstumspakt (Stärkung Defizitverfahren mit „six- und two pack“ sowie neues Verfahren zur Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte) hat Europa erstmals Orte und Institutionen geschaffen, die die Mitgliedstaaten auf supranationaler Ebene zu einem Austausch über die nationalen ökonomischen Entwicklungen zwingen, Fehlentwicklung offenlegen und gegebenenfalls korrigieren können. Diese neuen Verfahren treffen auf bereits vorhandene EU-Kompetenzen bspw. in wettbewerbsrechtlichen Fragen oder bei der Ausgestaltung des EU-Haushalts. Zudem gibt es neben dem klassischen System der Rechtssetzung von Rat und Europäischen Parlament zahlreiche Ansätze im Rat, wirtschaftspolitische Entscheidungen besser zu koordinieren, ohne die Kompetenz an die EU abzugeben („Offene Methode der Koordinierung“).
Wir wollen, dass ein/e gestärkte/r Kommissar/in für Wirtschaft und Finanzen
- mit allen Kompet
enzen der EU-Kommission in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Haushalt ausgestattet wird und gegenüber der europäischen Öffentlichkeit besonders stark parlamentarisch legitimiert und kontrolliert wird, - an die Spitze aller Verfahren der wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerung und Überwachung, also auch des Europäischen Semesters und der Defizit- und Ungleichgewichtsverfahren des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gestellt wird,
- ständiger Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Finanzen und der Euro-Gruppe wird und zudem allen durch den Euro-Gipfel neu geschaffenen Verwaltungsstrukturen und Stellen übergeordnet ist,
- deutlich macht, welche Kompetenzen die EU hat und durch seine Abwählbarkeit durch die direkt gewählten europäischen Abgeordneten zum Anker für die Legitimation europäischer Entscheidungen wird,
- individuell vom Europäischen Parlament gewählt wird und jederzeit individuell wieder abwählbar ist,
- Rechtsetzungsvorlagen erarbeitet, die verpflichtend – entweder gemäß den Europäischen Verträgen oder als „gentlemen agreement“ – unter Mitentscheidung des EP beschlossen werden müssen,
- ausgeweitete Kompetenzen im Rahmen der Defizitverfahren durch eine Vertragsänderung zur Einführung der umgekehrten qualifizierten Mehrheit in beiden Armen des Stabilitäts- und Wachstumspakts erhält,
- durch ausgeweitete direkte Entscheidungsrechte bei den dortigen Verfahren gegenüber dem Rat gestärkt wird.
Legitimation durch Parlamentarisierung:
Das Europäische Parlament ins Zentrum stellen
Spätestens zu den übernächsten Europawahlen muss das Europäische Parlament zu dem Ort gemacht werden, an dem die wichtigsten Entscheidungen in Situationen wie der Krise in der Euro-Zone (mit-) getroffen werden. Die zwischenstaatlichen Krisenlösungen im Europäischen Rat, das haben die Vetos von Großbritannien und Tschechien in Sachen Fiskalvertrag eindrucksvoll gezeigt, funktionieren nicht effizient und fördern das Streben nach „Extrawürsten“ für einzelne Mitgliedstaaten. Die Versuche von Bundestag und Bundesverfassungsgericht den Deutschen Bundestag nicht in die Lage eines „reinen Nachvollzugs“ kommen zu lassen sind zwar richtig, dennoch wird eine wirklich starke parlamentarische Einflussnahme und Kontrolle von Prozessen auf europäischer Ebene mittelfristig nicht im Wesentlichen von nationalen Parlament zu leisten sein. Der immer stärker aufkommende Eindruck, alle Mitgliedsstaaten müssten sich beim Deutschen Bundestag im Solidarität bewerben, wird auf Dauer der Legitimität der europäischen Ebene schweren Schaden zufügen. Der Bundestag wird gebraucht, um die Legitimitätskette zum deutschen Staatsvolk zu vervollständigen, aber nicht um sie exklusiv anstelle des Europäischen Parlaments zu schmieden.
Wir wollen die Stärkung des Europäischen Parlaments:
- eigenes Initiativrecht für das EP,
- weiterreichende Mitentscheidungskompetenzen im Bereich der Haushalts-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik,
- stärkere Anbindung der EU-Kommission an das Europäische Parlament: der Kommissionspräsident bzw. die Kommissionspräsidentin soll als Ergebnis der Europawahlen aus der Mitte des Europäischen Parlaments bestimmt werden und die Zusammensetzung der Kommission die politischen Verhältnisse im Europäischen Parlament und nicht nur im Rat stärker widerspiegeln,
- europaweit einheitliches Wahlrecht zum EP, das sich stärker an der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts „one man – one vote“ orientiert und durch ein System transnationaler Listen ergänzt wird,
- demokratische Mindeststandards für Europäische Parteien.
Euro-Abgeordnete statt Europäisches Parlament?
Die Vorschläge eines Euro-Zonen-Parlaments oder wechselnder Abstimmungszusammensetzungen des EU- Parlaments bei Euro-Themen sind eine Gefahr für das Gemeinschaftsprojekt Europa. Sie würden für eine stärkere Nationalisierung des EP und damit eine Schwächung des EP als Sachwalter des europäischen Interesses sorgen. Mit der Unterteilung in Euro- und Nicht-Euro-EP werden nicht einfach nur zwei Klassen von Abgeordneten geschaffen. Vielmehr beginnt man eine Unterscheidung von Abgeordneten innerhalb des Parlaments nicht von Regeln der Arbeitsorganisation des Parlaments oder einer Kompetenzverteilung zwischen Ausschüssen abhängig zu machen, sondern schlichtweg nach der „nationalen Herkunft“, vermutlich der nationalen Wahllisten auszurichten. Damit öffnet man Tür und Tor auch in anderen Themenfeldern immer nur noch die „Nationen“ im EP abstimmen zu lassen, die mitmachen (z.B. verstärkte Zusammenarbeiten (FTT) oder Schengen).
Wir wollen die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments auf besserem Wege:
- Das EU-Parlament könnte bspw. nach Vorbild des Art. 45 (2) GG einen seiner Ausschüsse ermächtigen, in bestimmten Euro-Fragen plenarersetzende Beschlüsse zu fassen und diesen Ausschuss als Counterpart mit besonderen Informationsrechten für die Ratsverfahren zur WWU setzen, bei denen schnelle und ggf. auch vertrauliche Zusammenarbeit notwendig ist. In diesem Ausschuss könnten weiterhin alle Abgeordneten von ihren Fraktionen entsandt werden und gleichzeitig eine effektive Kontrolle der Euro-Rettungspolitik gewährleisten. Die Fraktion wären politisch angehalten für eine angemessene Präsenz aus den Euro-Staaten zu sorgen. Gleichzeitig wäre der Ausschuss dem Plenum verpflichtet. Um die Einbeziehung dieses Ausschusses in die Verfahren der WWU rechtlich abzusichern, kann eine Verankerung in den vertraglichen Vorgaben über die Zusammenarbeit der Euro-Zone sinnvoll sein.
Die wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerungs- und Überwachungsverfahren:Parlamentarisierung mit mehr Pepp
Die künftigen Strukturen einer wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerung sind mit den oben genannten neuen Verfahren bereits gesät worden. Aus dem europäischen Semester, dem Defizitverfahren und dem Ungleichgewichtsverfahren kann sich eine machtvolle Interaktion zwischen europäischer und nationaler Ebene entwickeln. Dazu müssen die Verfahren und Ziele parlamentarisiert und damit transparenter werden: Nur, wenn auf allen Ebenen parlamentarisch über den richtigen Weg gestritten wird, kann eine politische Verbindlichkeit aus den gemeinsamen Regeln erwachsen.
Wir wollen die Europäischen Steuerungs- und Überwachungsverfahren stärken, indem:
- auch nationale Haushaltsentwürfe an die EU-Kommission übersendet und – unter Kontrolle des Sonderausschusses des EP – auf Einhaltung europäischer Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspaktes geprüft werden. Entspricht ein Haushaltsentwurf nicht den europäischen Vereinbarungen sollte die Regierung des entsprechenden Mitgliedstaats den Entwurf anpassen müssen. Im Falle schwerwiegender Versäumnisse werden von dem entsprechenden Mitgliedstaat Korrekturmaßnahmen in Verbindung mit den entsprechenden Durchsetzungsinstrumenten verlangt. Die Abstimmung hierüber erfolgt mit umgekehrter Mehrheit unter Ausschluss des betroffenen Staats im Rat. Das EP wird im Rahmen des „gentlemen agreement“ beteiligt,
- die Haushaltssouveränität des Deutschen Bundestages unangetastet bleibt. Empfehlungen aus Brüssel müssen dem Parlament zur Kenntnis gegeben werden, aber von der Bundesregierung und nicht durch den Deutschen Bundestag in den Haushaltsentwurf eingearbeitet werden. Die nationalen Parlamente können wie bisher die von der nationalen Regierung vorlegelegten Haushaltsentwürfe verändern. Kommt es dabei zu einem Verstoß gegen die Vorgaben aus dem europäischen Verfahren kann der Kommissar für Wirtschaft und Finanzen ohne Ratsbeschluss ein beschleunigtes Defizitverfahren einleiten und das Europäische Parlament hat das Recht die Regierung des ent
sprechenden Mitgliedsstaat im Plenum zur Sprache zu stellen, - der Jahreswachstumsbericht im Mitentscheidungsverfahren von EP und Rat beschlossen wird,
- die länderspezifischen Empfehlungen vom Europäischem Parlament debattiert und mitentschieden werden,
- die verschiedenen Stadien des Europäischen Semesters in den nationalen Parlamenten hinreichend diskutiert werden, bevor die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten ihr „Nationales Reformprogramm“ an die Europäische Kommission und das Europäische Parlament schicken,
- die makroökonomischen Grenz- und Richtwerte für das so genannte „scoreboard“ im Rahmen des makroökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens unter Einbeziehung von Abgeordneten des Europäischen Parlaments festgelegt werden,
- die Nichteinhaltung von vereinbarten Auflagen im Rahmen des im Defizit- und Ungleichgewichtsverfahrens nicht nur mit Verfahren vor dem EUGH, sondern auch mit dem Einfrieren von EU-Mitteln für die betreffenden Mitgliedstaaten verbunden werden können (siehe Bsp. Ungarn),
- für alle Entscheidungen im Rahmen des Defizit- und des Ungleichgewichtsverfahrens die so genannte umgekehrte Mehrheit einführt wird,
- eine stringentere Überwachung der fünf Kernziele sowie der Integrierten Leitlinien, die im Rahmen der Strategie EU 2020 vereinbart wurden, durchgeführt wird. Dafür müssen die im nationalen Reformprogrammen von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen verbindlich gemacht und ebenfalls in die makroökonomische Überwachung durch die EU-Kommission einbezogen werden. Außerdem: Im Zuge der Aktualisierung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik (2014) muss die europäische Wirtschaft auf Nachhaltigkeitsstrategie im Sinne eines Green New Deal ausgerichtet werden,
- die vorbereitenden Arbeiten der EU-Kommission für die Konditionalitäten von ESM-Finanzhilfen bei der/dem Kommissar/in für Wirtschaft und Finanzen angesiedelt werden und an die Einhaltung der europäischen Vorgaben aus allen Steuerungs- und Überwachungsverfahren gebunden werden
- die Entscheidungen im Rat im Rahmen des Europäischen Semesters und der Defizitverfahren öffentlich stattfinden.
Intergouvernementale Krisenlösungen europäisieren
Die Krise hat auch gezeigt, dass die EU handeln musste, ohne dass die europäischen Institutionen die rechtlichen Kompetenzen oder die Ressourcen für eigenes Handeln gehabt hätten. Deswegen hat die EU mit der EFSF und dem ESM Strukturen aufgebaut, die sich aus nationalen Entscheidungen und nationalen Finanzmittel speisen und folgerichtig auch vor allem national kontrolliert werden.
Wir wollen die Europäisierung indem,
- sich die Konditionalitäten für ESM-Hilfen an den bereits vereinbarten Vorgaben und Vereinbarungen aus dem EU-Semester und dem Stabilitäts- und Wachstumspakt orientieren,
- der ESM mittelfristig in die Europäischen Verträge und die Gemeinschaftsmethode überführt und zu einem echten Europäischen Währungsfonds ausgebaut wird.
EU 27+1 / 25+1 / 17: Gegen ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“
Wir halten an dem Prinzip der europäischen Integration fest: Alle gemeinsam! Wie in der Vergangenheit kann es aber notwendig sein, im Einzelfall vorübergehend differenzierte Geschwindigkeiten zu entwickeln. Das soll und darf nichts mit der plumpen Forderung nach einem Kerneuropa der 17 Euro-Umlaufwährungsstaaten zu tun haben, die die Gefahr birgt, den historischen Erfolg der EU-Osterweiterung zu untergraben und eine 2-Klassen-Union zu schaffen. Das Vorbild für Differenzierung im Einzelfall muss deswegen von vornherein auf Teile der Politikbereiche beschränkt bleiben – nach Vorbild der Abstufung innerhalb der Euro-Verträge zwischen den 17 Euro-Staaten und den 8 Noch-Nicht-Euro-Staaten, die aber Mitglied der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (Ausnahmen: Großbritannien und Dänemark) sind und perspektivisch den Euro einführen wollen.
Wir wollen, dass bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten bestimmte Prinzipien erfüllt werden:
- gleiche Überwachungs- und Steuerungsabläufe für alle EU-Mitgliedstaaten, gegebenenfalls mit unterschiedlichen Inhalten der Überwachung,
- ähnliche Durchsetzungsmechanismen für alle EU-Mitgliedsstaaten,
- stets Entscheidungskompetenz für EU-Kommission und Europäischen Parlament, ähnlich wie bei Verstärkter Zusammenarbeit,
- gemeinsames Integrationsstadium als erklärtes Ziel aller EU-Mitgliedstaaten,
- besondere „Einfädelungsspuren“ für die Staaten des westlichen Balkans in die „Wirtschaftsregierung“.
Der europäische Haushalt: mit einem europäischen Investitionsprogramm aus der Krise
Der Haushalt der Europäischen Union ist das Fundament gemeinsamer europäischer Politik. In der aktuellen Krise müssen wir ihn mehr denn je als Investitionsprogramm verstehen und ausgestalten. Die EU braucht einen Haushalt, mit dem sie ihre politischen Ziele auch realisieren kann. Der gemeinsame Haushalt muss die Strukturreformen in den Mitgliedstaaten unterstützen. Stärker als bisher muss sich der Fokus des Haushalts auf die Zukunftsaufgaben der EU richten: Investitionen in nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und grüne Innovationen. Direktzahlungen ohne Gegenleistung wie in der Gemeinsamen Agrarpolitik kann sich die EU nicht mehr leisten.
Durch seine Transferzahlungen leistet der EU-Haushalt einen wichtigen Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa. Er stärkt den europäischen Zusammenhalt. EU-Gelder machen einen beachtlichen Teil der Investitionen in den Krisenländern aus. Ohne einen starken EU-Haushalt würden die Prinzipien der Kohäsion und der Konvergenz in Frage gestellt.
Wir wollen einen zukunftsfähigen Haushalt für eine zukunftsfähige Europäische Union:
- keine Kürzung des EU-Finanzrahmens ab 2014,
- Fokus auf Investitionen in nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und grüne Investitionen,
- Finanzierung eines Teils des Haushalts über EU-Steuern als wirkliche Eigenmittel,
- stärkere Rolle der wirtschaftspolitischen Strategie der EU (z.Zt. EU-2020) und der länderspezifischen Empfehlungen der Kommission bei der Programmierung der Gelder
- kein eigenständiges Eurozonen-Budget.
Soziales Europa stärken
Bislang gilt, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt grenzüberschreitend ist, die soziale Sicherung häufig jedoch an den nationalen Grenzen haltmacht. Diese Schieflage zwischen der Reichweite
wirtschaftlicher und sozialer Regelungen muss behoben werden. Nur so kann die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur Europäischen Union gewahrt werden. Europaweite Mindeststandards und Regelungskorridore sollen verhindern, dass soziale Standards in den Sog des Standortwettbewerbs geraten.
Wir wollen mehr Soziales Europa:
- stärkere Koordinierung und Harmonisierung sowie europaweite Mindeststandards im Bereich der Sozialen Sicherung
- Ergänzung der EU-Verträge um eine soziale Fortschrittsklausel. So kann sichergestellt werden, dass soziale Schutz- und Arbeitnehmerrechte in der EU den gleichen Stellenwert haben wie die Dienstleistungsfreiheit und der Binnenmarkt.