Am 16. Oktober hat Wolfgang Schäuble ein paar Dauerbrenner der europäischen Debatte zu einem Vorschlag zur Reform der EU-Verträge zusammengefasst. Dabei greift er den Vorschlag auf, künftig nur EU-Abgeordnete der Länder abstimmen zulassen, die von einer Entscheidung auch betroffen sind. In Bezug auf die Entscheidungen im Rahmen der Euro-Rettungspolitik würde dies bedeuten, dass lediglich die EP-Abgeordneten aus den Euro-Staaten die Hand heben dürfen.
Ich halte nicht viel von diesem Vorschlag. Dafür habe ich drei Gründe:
- Die Verträge sehen das Europäische Parlament als Parlamentent der Europäischen Union und beschreiben die Abgeordneten eindeutig nicht als Abgeordnete aus einem Mitgliedstaat, sondern als Abgeordnete der Bürgerinnen und Bürger der Union. Mit der Unterteilung in Euro- und Nicht-Euro-EP werden nicht einfach nur zwei Klassen von Abgeordneten geschaffen. Vielmehr beginnt man eine Unterscheidung von Abgeordneten innerhalb des Parlaments nicht von Regeln der Arbeitsorganisation des Parlaments oder einer Kompetenzverteilung zwischen Ausschüssen abhängig zu machen, sondern schlichtweg nach der „nationalen Herkunft“, vermutlich der nationalen Wahllisten auszurichten. Damit öffnet man Tür und Tor auch in anderen Themenfeldern immer nur noch die „Nationen“ im EP abstimmen zu lassen, die mitmachen (z.B. verstärkte Zusammenarbeiten (FTT), Schengen). Zudem stellt man damit für eine künftige Europäisierung des EP (transnationale Listen) eine kaum zu überwindende Hürde auf. Maßnahmen für eine echte Europäisierung entlang der 27+1würden künftig kaum mehr in die Struktur des EP passen und logischerweise bspw. zu „Euro-Zonen-Listen“ und „Rest-Listen“ führen und damit die Gefahr eines Euro-Zonen-Parlaments durch die Hintertür bedeuten. Ergo: Ich sehe die Gefahr einer stärkeren Nationalisierung des EP und damit eine Schwächung des EP als Sachwalter des europäischen Interesses.
- Die Gretchenfrage bei Schäubles Vorschlag ist zudem: Wer gehört eigentlich zur Euro-Zone? Alle, für die die Regeln der Euro-Verträge und der entsprechenden Rechtssetzungen gelten oder nur die, die den Euro auch im Geldbeutel tragen? Meine Antwort ist hier ganz deutlich: Zur Euro-Zone gehören 25 Staaten (17+8), die sich alle an die Vorgaben und Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts halten müssen. Es ist weder sinnvoll, diese Staaten im Europäischen Parlament von der Mitbestimmung bei Euro-Fragen auszuschließen, noch diese Staaten von den Regeln der Euro-Zone auszunehmen. Gerade die Krise zeigt, dass wir mehr Verbindlichkeit in den Konvergenzverfahren brauchen, auch um Fehler wie beim Fall Griechenland nicht zu wiederholen.
- Meine Einschätzung ist, dass bei der Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion keineswegs die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, sondern vielmehr die Veto-Positionen im Europäischen Rat und Ministerrat in den vergangenen Jahren zu Blockaden in der Euro-Rettungspolitik geführt haben. Die Debatte über andere Stimmverfahren im EP scheint mir eher eine Ablenkung von den Problemen des Rats zu sein, Veto-Positionen zu überwinden.
Für die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments gibt es aus meiner Sicht bessere Wege. Das Parlament könnte bspw. nach Vorbild des Art. 45 (2) GG einen seiner Ausschüsse ermächtigen, in bestimmen Fällen plenarersetzende Beschlüsse zu fassen und diesem Ausschuss als Counterpart für die Ratsverfahren zur WWU zu setzen, bei denen schnelle und ggf. auch vertrauliche Zusammenarbeit notwendig ist. In diesem Ausschuss könnten weiterhin alle Abgeordneten von ihren Fraktionen entsandt werden und gleichzeitig eine effektive Kontrolle der Euro-Rettungspolitik gewährleisten. Gleichzeitig wäre der Ausschuss dem Plenum verpflichtet.