Ist die Euro-Rettung eine Angelegenheit der Europäischen Union? Muss der Deutsche Bundestag bei der Entstehung von Euro-Rettungsmaßnahmen gemäß Artikel 23 Grundgesetz und EU-Beteiligungsgesetz (EUZBBG) informiert und beteiligt werden?
Wir sagen Ja, die Bundesregierung sagt Nein. Am 19.06.2012 wird das Bundesverfassungsgericht antworten. Dann wird das Urteil zu unserem Organstreitverfahren verkündet. Das Urteil kann weitreichende Auswirkung auf die Parlamentsbeteiligung im Rahmen des Fiskalvertrags und zukünftiger Euro-Rettungsmaßnahmen haben.
Warum haben wir Klage eingereicht?
Wir wollen, dass die Bundesregierung den Bundestag bei allen Maßnahmen der Euro-Rettung angemessen beteiligt. Grundlage hierfür sind Artikel 23 Grundgesetz und das EU-Beteiligungsgesetz (EUZBBG). Demnach muss die Bundesregierung den Bundestag in EU-Angelegenheiten frühzeitig, umfassend und fortlaufend informieren und beteiligen. Bei den Verhandlungen um die Ausgestaltung des permanenten Euro-Rettungsschirms (ESM) setzte die Bundesregierung diese gesetzlichen Regelungen jedoch außer Kraft. In der Praxis bedeutete das, dass dem Bundestag wichtige Papiere wie die ESM-Vertragsentwürfe nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Warum? Nach Auffassung der Regierung ist der ESM keine EU-Angelegenheit, sondern lediglich ein völkerrechtlicher Vertrag im Bereich des intergouvernementalen Handelns.
Alles EU!
Wir bedauern, dass sich die Euro-Staaten zur Bekämpfung der Krise nicht immer den in den EU-Verträgen vorgesehenen Instrumentarien bedienen konnten oder wollten. Vielmehr wichen die Staats- und Regierungschefs vermehrt auf völkervertragliche Lösungen aus. Beispiele sind neben dem ESM auch der Fiskalvertrag oder der Euro-Plus-Pakt. Diese von Bundeskanzlerin Merkel vorangetriebene Zersplitterung der Europäischen Strukturen darf nicht auch noch dazu führen, dass innerstaatlich die im Grundgesetz verankerten EU-Beteiligungsrechte ausgehebelt werden. Doch nicht nur innerstaatlich werden wir Grüne für eine Stärkung der Europäischen Demokratie kämpfen: Für uns ist das Europäische Parlament der Ort parlamentarischer Kontrolle europäischer Entscheidungen. Wir wollen keine Spaltung, weder der Staaten in Euro- und Nicht- Euro-Staaten noch ein zwei-Klassen-Parlament oder gar die Re-Nationalisierung parlamentarischer Entscheidungen. Europäische Integration bedeutet für uns: Gemeinsam!
Was können wir mit unserer Klage erreichen?
Geht das Urteil in unserem Sinne aus, müsste die Bundesregierung den Bundestag noch stärker als bisher bei der Ausgestaltung von Euro-Rettungsmaßnahmen beteiligen. Denn dann wäre klargestellt, dass dem Bundestag bei völkerrechtliche Anbauten an die EU-Verträge oder das EU-Recht dieselben Beteiligungs- und Informationsrechte zustehen wie bei anderen EU-Vorhaben auch. In der Praxis würde das bedeuten, dass die Bundesregierung zukünftig bspw. Vertragsentwürfe übersenden muss und somit eine informierte Mitwirkung des Bundestages möglich wird. Zudem könnte das Parlament Zugriff auf Dokumente vieler in der Krise wichtiger gewordenen Gremien gewinnen. Nicht zu letzt wäre klargestellt, dass es trotz völkerrechtlicher Verträge keine Europäische Integration außerhalb der EU gibt. Diese Auffassung vertrat die Bundesregierung bei den mündlichen Verhandlungen. Innerstaatlich wäre dies ein klares Signal für die europäischen Gemeinschaftsinstitutionen und würde den Anreiz für die Regierung verringern, in völkerrechtliche Verträge zu flüchten, um den Bundestag zu umgehen.
Was hat der Ausgang unserer Klage mit dem Fiskalvertrag zu tun?
Die Verhandlungen um die Ausgestaltung der Parlamentsbeteiligung beim Fiskalvertrag stocken. Die Koalition weigert sich, noch vor dem BVerfG Farbe zu bekennen. Auf dem Verhandlungstisch liegen: ein grüner Gesetzentwurf, der weitreichende Änderungen des EUZBBG und damit stärkere Parlamentsrechte vorsieht und ein einziger Satz der Koalition, dass das alte EUZBBG auf den Fiskalvertrag anzuwenden sei. Problem hierbei ist, dass das EUZBBG die Neuerungen des Fiskalvertrags nicht berücksichtigt und wichtige Entscheidungsgremien wie die Euro-Gruppe aus der umfassenden Parlamentsbeteiligung ausklammert.