Erklärung nach § 31 GOBT zur Abstimmung über die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
am Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
Nur eine politische Lösung kann verhindern, dass Afghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen in einen neuen, blutigen Bürgerkrieg fällt. Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssen daher ihre Anstrengungen erhöhen, um den Verhandlungs- und Reintegrationsprozess in Afghanistan zu unterstützen und eine Friedenslösung unter Einbeziehung der beteiligten Nachbarstaaten zu erzielen. Deutschland sollte seinen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nutzen, um eine Initiative auf den Weg zu bringen, die alle afghanischen und internationalen Akteure unter dem Dach der Vereinten Nationen an den Verhandlungstisch bringt. Gleichzeitig muss sich Deutschland dafür einsetzen, dass die erreichten Fortschritte insbesondere bei Menschenrechten sowie für Frauen und Mädchen im Rahmen der Verhandlungen nicht ausgehöhlt werden.
Der zivile Aufbau in Afghanistan erfordert ein langfristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft und verlässliche Zusagen für Hilfen und Unterstützungsleistungen auch über das Jahr 2014 hinaus. Die Bundesregierung belässt es bislang bei vagen Zusagen und unkonkreten Versprechen. Um der Verantwortung Deutschlands für die Menschen in Afghanistan gerecht zu werden, muss die Bundesregierung bindende Verpflichtungen aussprechen. Hierzu gehört, schon heute eine Verstetigung der zivilen Zusammenarbeit in Höhe von mindestens 430 Millionen Euro auch über 2014 hinaus zuzusagen. Dies ist auch erforderlich, da in Afghanistan die Befürchtung zunimmt, dass mit dem militärischen Abzug auch die Aufbauhelferinnen und -helfer das Land verlassen werden. Ein solches Vorgehen wäre unverantwortlich. Im militärischen Engagement setzen Partnernationen weiter auf kontraproduktive „gezielte Tötungen“. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen von ISAF und gegenüber den Partnern dafür einsetzen, dass dieses falsche Vorgehen beendet wird. Sie muss außerdem sicherstellen, dass sich die Bundeswehr nicht an solchen Aktionen beteiligt.
Trotz unserer Kritik an der unzureichenden und teilweise fehlgeleiteten Afghanistan-Strategie der Bundesregierung stimmen wir dem Mandat zur  [2] Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr bis zum 31. Januar 2013 zu. Dies ist eine Gewissensentscheidung. Mit dem Engagement der internationalen Gemeinschaft haben wir eine Schutzverantwortung für die Menschen in Afghanistan übernommen. Wir fühlen uns weiterhin verpflichtet, sie nicht alleine zu lassen. Zustimmung bedeutet auch, dass wir Mitverantwortung übernehmen für den schwierigen, oft lebensgefährlichen Einsatz der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Aufbauhelferinnen und Aufbauhelfer. Ein sofortiger militärischer Abzug würde die Menschen in Afghanistan in einem neu eskalierenden Bürgerkrieg alleine zurücklassen und die gesamte Region destabilisieren. Die Polizei und die Armee Afghanistans sind noch nicht in der Lage, verlässlich für ein Mindestmaß an Sicherheit im Land zu sorgen. Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft aus Afghanistan machen immer wieder deutlich, dass deswegen eine militärische Präsenz internationaler Truppen notwendig ist.
Ein einseitiger Abzug der Bundeswehr wäre gleichzeitig der Ausstieg aus einer verantwortlichen multilateralen Politik. Das weitere Vorgehen in Afghanistan muss innerhalb der internationalen Gemeinschaft abgestimmt werden. Es darf keinen deutschen Sonderweg beim Abschluss des militärischen Engagements geben.
Berlin, den 26. Januar 2012
Cornelia Behm
Hans-Josef Fell
Tom Koenigs
Omid Nouripour
Manuel Sarrazin
Daniela Wagner