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Dringlichkeitsantrag zur Bundesdelegiertenkonferenz: Europa gewinnt zusammen – oder verliert – MANUEL SARRAZIN

Dringlichkeitsantrag zur Bundesdelegiertenkonferenz: Europa gewinnt zusammen – oder verliert

33. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25. – 27. November 2011, Sparkassen-Arena Kiel

Antragsteller/innen: BuVo

Gegenstand: Europadebatte

Anmerkungen: BuVo-Beschluss vom 21.11.2011

Dieser Antrag wurde erstellt unter Mitarbeit von: Sven Giegold, Priska Hinz, Manuel Sarrazin, Gerhard Schick

 

Die Europäische Union ist für uns Grüne der Rahmen, in dem wir das Projekt der europäischen Einigung vorantreiben wollen. Unsere Zukunft ist Europa. Dieser Kompass gilt auch und gerade in der jüngsten Zeit. Für uns ist es wichtig, dass der Wertekonsens der 27 EU-Staaten und der über 500 Millionen EU-BürgerInnen auf Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Nachhaltigkeit, sozialer Wohlfahrt, Freizügigkeit und Sicherheit fußt. Europa ist für uns mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft. In der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise der Euro-Zone zeigt sich aber auch: Europa braucht endlich eine stärkere Wirtschafts- und Solidarunion, sonst droht das europäische Projekt insgesamt zu scheitern.

 

Die schwarz-gelbe Regierung hat sich monatelang vor allem durch schrille Töne gegen die Griechen, die Südeuropäer, die Franzosen und die EU hervorgetan. Angela Merkel hat in der Krise zu oft Probleme – auch aufgrund von Wahlterminen – verschoben, statt sie zügig anzugehen. Das hat schon bislang nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld gekostet und die Krise verschlimmert und Vertrauen zerstört. Wir Grüne hingegen haben uns bereits auf unserer Sonder-Bundesdelegiertenkonferenz im Juni diesen Jahres deutlich zum Euro, zu einer Europäischen Wirtschaftsunion und zu einem demokratischen Weg zur engeren Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bekannt.

 

Ob es der dauerhafte Euro-Rettungsschirm, die Rekapitalisierung der europäischen Banken, der Schuldenschnitt für Griechenland ist oder die Notwendigkeit einer europäischen Wirtschaftsregierung: Inzwischen werden die Forderungen der grünen Bundestagsfraktion eine nach der anderen aufgegriffen. Dies zeigt, dass diese Maßnahmen notwendig sind, um die Krise zu bewältigen und den Euro dauerhaft zu stabilisieren.

 

Nur kommen diese Entscheidungen viel zu spät und werden nur halbherzig umgesetzt. Frau Merkel ist auch eineinhalb Jahre nach Beginn der Eurokrise zu zögerlich und erstaunlich strategielos. Die Kanzlerin hat große Ankündigungen gemacht, am Ende aber wenig durchgesetzt. Ihre „Politik der kleinen Schritte“ soll darüber nur hinwegtäuschen.

 

Zu den Fragen, wer die Kosten der Krise bezahlen soll, und wie diese Kosten gerecht verteilt werden können, schweigt die Kanzlerin. Banken, die die Krise mit verursacht haben, werden zu spät und nicht ausreichend in die Pflicht genommen, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden extrem belastet.

 

Transparenz ist in dieser Situation entscheidend. Doch die Kanzlerin nimmt die Befürchtungen in der Bevölkerung nicht ernst. Sie erklärt zu wenig und handelt nicht nachvollziehbar.

Angela Merkel hat in der Krise zu oft Probleme – auch aufgrund von Wahlterminen – verschoben, statt sie zügig anzugehen. Das hat schon bislang nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld gekostet und die Krise verschlimmert und Vertrauen zerstört.

 

Für uns BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Mitglied der europäischen, grünen Bewegung und Europäischen Grünen Partei liegt der Schlüssel zur Lösung der Krise in entschlossenem Handeln und dem konsequenten Ausbau der Europäischen Union zu einer Wirtschafts- und Solidarunion, wie wir es auch auf unserem Europäischen Parteikongress in Paris vor wenigen Tagen beschlossen haben.

 

Es ist richtig, dass Staaten, die europäische Kredithilfen erhalten, Strukturreformen angehen müssen um ihre Wirtschaftskraft wieder aufzubauen. Insgesamt sind die Sparprogramme aber zu einseitig ausgestaltet. Sie verschärfen die soziale Ungleichheit, drohen die Wirtschaft abzuwürgen und ziehen große Vermögen kaum zu einem Lastenausgleich heran.

 

Mit unseren Forderungen sehen wir uns an der Seite vieler Engagierter und Demonstranten, die in den Städten unter dem Titel „Occupy“ demonstrieren. Auch wir wollen die Macht der Banken begrenzen, auch wir sehen ein Demokratiedefizit, wenn Merkel und Co. in Brüssel bei der Regulierung der Finanzmärkte auf der Bremse stehen aber zu Hause linke Sonntagsreden halten. Deswegen begrüßen wir diese Demonstrationen, legen sie doch den Finger in genau die entscheidende Wunde, dass nämlich bis zum heutigen Tage die Finanzmärkte noch immer nicht den nötigen Regularien unterworfen wurden, die sie wieder zum Dienstleister der Realwirtschaft werden lassen.

 

Konkret wird der Weg aus der Krise nur mit einem Bündel an Maßnahmen im Sinne aller drei Säulen unseres Green New Deals gelingen. Die Länder der EU brauchen einerseits langfristig angelegte, tiefgehende Reformschritte sowie andererseits kurzfristige Maßnahmen, die die Krisenspirale durchbrechen und dabei auch eine nachhaltige Haushaltspolitik umfassen:

 

Der Green New Deal für Europa

1. Säule: Finanzmärkte regulieren:

Wir müssen in der Finanzmarktregulierung die Lehren auch aus der jüngsten Zuspitzung ziehen. Das heißt insbesondere:

 

Schuldenbremse für Banken

Die sogenannte „risikoadäquate Kapitalunterlegung“ von Banken reicht nicht aus, denn sie führte dazu, dass Banken deutlich weniger Eigenkapital vorhalten als zu früheren Zeiten. Die vergangenen Krisenjahre haben aber gezeigt, dass bei angeblich risikolosen Geschäften wie Krediten an Staaten das Eigenkapital sofort aufgezehrt ist, wenn dann doch Verluste auftreten. Die Folge: Die Bank muss mit Steuergeldern gerettet werden, da ein Ausfall ihres immensen Schuldenberges zu Ausfällen an anderer Stelle und so zu einem Zusammenbruch des gesamten Systems führen könnte. Wir Grünen fordern daher eine Schuldenbremse für Banken in Form einer absoluten Untergrenze des Eigenkapitals, das auf die gesamten Geschäfte einer Bank gerechnet werden soll. Außerdem unterstützen wir die Aufspaltung der Banken nach Investment- und Kundengeschäft.

 

“Too big to fail“ beenden

Parlamente und Regierungen mussten seit Beginn der Krise mehrfach für Risiken privater Gläubiger aufkommen, weil ein Zahlungsausfall das Bankensystem mit seinen wichtigen Funktionen für Unternehmen und private Haushalte gefährdet hätte. Daher fordern wir das riskante Investmentbanking von der Tätigkeit als Geschäftsbanken zu trennen. Die OECD wie die Britische Vickers-Kommission haben hier gute Vorschläge gemacht. Investmentbanking muss durch die Finanzaufsicht schärfer überwacht und mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat diese Vorschläge jedoch brüsk zurückgewiesen, statt sich am Haftungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft zu orientieren.

 

Finanztransaktionssteuer einführen

Mit einer Finanztransaktionssteuer wollen wir spekulative und kurzfristige Finanzgeschäfte unattraktiver machen. Damit dämmen wir einen Gefahrenherd weiterer Finanzkrisen ein, erschließen aber zugleich auch eine eigene Finanzierungsquelle für die Europäische Union. Im gleichen Umfang könnten die nationalen Beiträge an die EU sinken.

Es ist hier zuvorderst an Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Schäuble, ihre mehrmaligen Versprechen auch endlich einzulösen. Statt sich weiter vom Koalitionspartner FDP auf der Nase rumtanzen zu lassen, die wieder einmal in Vasallentreue sich schützend vor die Finanzlobby stellt, muss sich die Bundesregierung notfalls auch für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen, die nur in der Eurozone gilt.

 

2. Säule: In die ökologische Modernisierung investieren

Wenn Europa sich in seinen wirtschaftlichen F
ähigkeiten immer weiter auseinander entwickelt, wird das Krisenmanagement zur Bankenrettung scheitern. Wir Grüne haben uns schon auf dem Länderrat im Frühjahr 2010 für eine starke europäische Wirtschaftsunion ausgesprochen und festgehalten, dass die EU eine Strategie von Konsolidieren und Investieren in die ökologische Modernisierung braucht. Die EU muss ihre alte Stärke von Konvergenz und Kohäsion, die unsere östlichen Nachbarn so erfolgreich gemacht hat, wiederentdecken und sie verbessern und erweitern, um Staaten in außergewöhnlich schwieriger wirtschaftlicher Lage besser unterstützen zu können. Wachstum in Staaten wie Griechenland, Spanien, Italien und Portugal ist wichtig, um diese Krise zu lösen.

 

Energierevolution als ein europäisches Schlüsselprojekt

Die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union als wichtiger Beitrag zur Wiederbelebung der erlahmenden Konjunktur wird nur durch den wirtschaftlichen Wandel hin zu Zukunftsbranchen gelingen. Einen entscheidenden Beitrag kann dabei der Umbau unserer Energieversorgung beitragen. Profitieren könnten die Menschen in den Mitgliedsstaaten der EU wirtschaftlich gesehen gleich dreifach: Erstens wäre eine Abkehr weg von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu einem intelligenten Netz mit  Erneuerbaren Energiequellen ein riesiges, grünes Konjunkturprogramm für Industrie und Mittelstand. Zweitens würde es zu einer Neuverteilung bei den Einnahmen für die Energieproduktion zugunsten kleiner und privater Energieproduzenten führen. Und drittens könnten die Ausgaben für den Import von Öl und Gas in erheblichem Maße reduziert werden, denn alleine 2010 gingen den Mitgliedsstaaten der EU insgesamt 296 Milliarden Euro durch die Importkosten für Erdöl verloren.

Gerade die derzeitigen Krisenländer könnten auf Grund ihrer naturräumlichen Potentiale mittelfristig beispielsweise mehr Strom produzieren, als sie selber benötigen und ihre Überschüsse in ein europäisches Stromnetz einspeisen.

 

Mit europäischen Mitteln den Krisenländern unter die Arme greifen

Die Europäische Union wollen wir in die Lage versetzen, in hart sparenden Empfängerstaaten mit Notkrediten die ökologische Modernisierung zu stützen und damit auch Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen. Dazu braucht es ein europäisches Investitionsprogramm. So war es eine richtige Entscheidung der EU-Kommission, die Kofinanzierungspflicht Griechenlands und anderer Krisenländer bei den Europäischen Strukturfonds deutlich zu lockern, um ihnen bereits zustehendes Geld wirklich auszahlen zu können. Hinzu müssen gezielte Förderkredite der Europäischen Investitionsbank kommen.

 

Europäische Projektanleihen stärker nutzen

Schon heute ist die Ausgabe europäischer Projektanleihen durch die Europäischen Verträge abgedeckt und wurde in der Vergangenheit in Einzelfällen genutzt. Sie könnten zielgerichtet für Projekte wie den Aufbau eines europäischen, intelligenten Stromnetzes ausgegeben werden, um zusätzliches und benötigtes privates Kapital zur ökologischen Modernisierung zu generieren. Eine Investitionsoffensive in riesige Beton-Projekte mit Subventionen ist jedoch auch im Rahmen der Projektanleihen ökonomisch wie ökologisch nicht zielführend.

 

3. Säule: Ein neuer sozialer Ausgleich in Europa

Für eine faire Lastenverteilung zu sorgen ist nicht Beiwerk zu den nötigen ökonomischen Reformen, sondern muss im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Denn die soziale Schieflage der Reformpolitik zerstört den sozialen Zusammenhalt auf Jahre, sie macht die Regierungen in den Augen der Menschen zu Bütteln der Finanzmärkte. Das kann dazu führen, dass sogar sinnvolle Reformmaßnahmen nicht mehr durchsetzbar sind. Die Proteste insbesondere in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien sind ein wichtiges Warnsignal. Aufgabe für uns Grüne muss europaweit sein, gemeinsam mit den sozialen Bewegungen einen Strategiewechsel zu erzwingen. Wir müssen verhindern, dass auf Druck der Finanzmärkte, die man versäumt hat zu bändigen, nun in Europa der Sozialstaat und mit ihm der soziale Friede ruiniert wird.

 

Europaweit Vermögensabgaben einführen

Die Einführung von Vermögensabgaben europaweit könnte einen tatsächlichen Finanzierungsbeitrag von großen Vermögen und sehr hohen Einkommen zum Abbau staatlicher Schulden der Mitgliedsstaaten leisten und gleichzeitig der zunehmenden Konzentration hoher Vermögen entgegenwirken. Wenn es politisch möglich war, auf Schuldenbremsen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu drängen, dann sollte dies auch für die Forderung nach Einführung von Vermögensabgaben gelten. Dadurch würde die soziale Ausgewogenheit bei der Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise besser ausbalanciert.

 

Steuerhinterziehung und Steuerflucht bekämpfen

In vielen Mitgliedsländern ziehen Vermögende ihre Ersparnisse ab und transferieren sie in Länder wie die Schweiz. Währenddessen wissen große Teile der Bevölkerung nicht mehr aus noch ein angesichts steigender Steuern und Arbeitslosenraten bei gleichzeitig sinkenden Einkommen und Kürzung sozialer Leistungen. Das koordinierte Engagement der europäischen Staaten im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht muss daher ein zentrales Anliegen werden, um ein deutliches Signal gegen das wachsende Ungerechtigkeitsgefühl zu setzen. Schäubles neues Amnestieprogramm und die Anonymisierung von Vermögen im Rahmen bilateraler Abkommen mit der Schweiz sind dafür jedoch genau der falsche Weg.

 

Die soziale Gerechtigkeit zu einer europäischen Kernaufgabe machen

Im Rahmen der Debatten um Änderungen der Europäischen Verträge als Lehre aus der Krise muss auch eine soziale Fortschrittsklausel in das EU-Primärrecht aufgenommen werden. Wir wollen eine soziale Fortschrittsklausel, die eine stärkere Balance gegenüber den Grundfreiheiten des Marktes herstellt. Wenn Wettbewerb im Binnenmarkt grenzüberschreitend ist, darf auch die soziale Sicherung an den nationalen Grenzen nicht halt machen.

 

Die Bürgerinnen und Bürger der EU müssen ihre Rechte auf erworbene Leistungen, wie z.B. im Bereich der Sozialversicherung oder bei Bildungs- und Berufsabschlüssen über innereuropäische Grenzen hinweg besser nutzen können. Europäische Mindeststandards müssen den ArbeitnehmerInnen in der EU gesunde und gute Arbeitsbedingungen garantieren. Das Europarecht darf nicht mehr über den Europäischen Gerichtshof als Waffe gegen Tarifautonomie und soziale Rechte missbraucht werden können. Bestimmte Politikbereiche, die auf besondere Weise zum nationalen, regionalen oder lokalen Gemeinwohl beitragen, wollen wir vor dem Zugriff des europäischen Wettbewerbs schützen.

 

Europa neu aufstellen

Mit nationaler Kleinstaaterei werden sich die nötigen Reformen nicht durch- und umsetzen lassen. Die EU braucht europäische Institutionen, die den Überblick behalten, die gemeinsame Ziele und Strategien entwickeln, koordinieren und ihre Einhaltung auch streng kontrollieren können. Deswegen wollen wir eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung in der EU und institutionelle Reformen und Verfahren, die Euro-Staaten, Noch-Nicht-Euro Staaten und Nicht Euro-Staaten stärker zusammen bringen, anstatt in ein Europa der unzähligen Geschwindigkeiten auseinanderzudriften. Die Europäische Kommission muss dafür mehr Kompetenzen erhalten, in denen sie stärker vom Europäischen Parlament kontrolliert wird und eng mit den nationalen Regierungen im Rat zusammenarbeiten muss.

 

Europäisches Semester verbindlich machen – Stabilitäts- und Wachstumspakt reformieren

Die Verfahren des neu eingeführten „Europäischen Semesters“ als Instrument der makroökonomischen Überwachung und Steuerung auf europäischer Ebene, des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der EU-2020-Strategie müssen verbindlicher
werden und durch Europäisches Parlament und die nationalen Parlamente stärker überwacht werden.

Die Bundesregierung muss endlich ihre Blockadepolitik gegen Möglichkeiten aufgeben, Sanktionen nicht nur bei übermäßigen Defiziten, sondern auch bei übermäßigen Leistungsbilanzüberschüssen verhängen zu können, um makroökonomische Ungleichgewichte abzubauen. Dies entbindet jedoch kein Land von der Aufgabe, seine Verschuldung konsequent zurückzuführen, um die Krise dauerhaft zu überwinden.

 

Es besteht aber keine ausschließliche Staatsschuldenkrise in der Eurozone. Dies zeigt das Beispiel Spanien, einem Musterland in Sachen Haushaltspolitik und sich wegen seiner hohen privaten Verschuldungsquote heute trotzdem in einer ernsten Krisensituation befindet.

 

EFSF stärken

Um der akuten Zuspitzung der Krise und Spekulationen vor allem auf Spanien und Italien entgegen wirken zu können, bedarf es schnell weitreichender Maßnahmen. Deswegen wurde eine Hebelung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) vereinbart. Dabei sollen die beiden Modelle der sogenannten „Fonds-Lösung“ und „Versicherungslösung“  Investoren gegen Verlustrisiken absichern und so ein Engagement attraktiver gestalten. Ob dies gelingen wird, ist derzeit aber äußerst ungewiss. Es ist unklar, ob sich für die verschiedenen Varianten wirklich Investoren finden lassen und ob nicht die Absicherung so großzügig ausgestaltet werden muss, dass die Hebelung relativ gering ausfällt und nur für wenige Monate Atempause verschafft. Die nun seit zwei Jahren anhaltende Blockadepolitik der Bundesregierung gegenüber Eurobonds hat dazu geführt, dass die EZB zum letzten handlungsfähigen Akteur gegenüber Italien und Spanien geworden ist. Es scheint daher wahrscheinlich, dass die europäischen Staaten doch noch gezwungen sind, zu einer Hebelung über eine Banklizenz-Lösung überzugehen, die ein größeres Volumen erreichen würde und günstiger wäre, aber bislang auf den Widerstand der Europäischen Zentralbank stößt. Wir werden, falls eine Hebelung überhaupt noch zustande kommt, kritisch bewerten, ob die konkreten Maßnahmen tatsächlich geeignet und vertretbar sind. Klar ist jedenfalls, dass die Hebelung der EFSF nur eine Übergangslösung hin zu in einer anders gestalteten stabileren Lösung sein kann und darf.

 

Mit Eurobonds die Spekulation gegen die Eurozone beenden

Mit Europäischen Anleihen mit einer gemeinschaftlichen Haftungszusage aller Mitgliedstaaten (Eurobonds) wollen wir der Spekulation gegen einzelne Staaten der Eurozone ein Ende setzen. Diese sollen von einer Europäischen Schuldenagentur emittiert werden und könnten insgesamt zu niedrigeren Refinanzierungskosten führen. Europäische Anleihen stabilisieren die Zinsen und verhindern, dass eine Finanzmarktdynamik den Währungsraum in Schwierigkeiten bringt. Der Zugang zu diesem gemeinsamen Anleihemarkt sollte mit strengen Bedingungen verknüpft werden. Wir begrüßen die Initiative der EU-Kommission zu solchen „Stabilitätsanleihen“. Außerdem bieten sie im gemeinsamen Währungsraum stabile Anleihen für die Banken, die die Unsicherheit bezüglich der Solidität des Bankensektors beenden. Denn die Banken werden so unabhängig von der Haushaltssituation des Staates, in dem sie ihren Sitz haben, bewertet werden.

 

Wir fordern die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf, das Konzept des Sachverständigenrats aufzugreifen. Dieses sieht einen Schuldentilgungspakt vor, wobei Altschulden in einen Fonds ausgelagert werden und über Europäische Anleihen zwischenfinanziert werden. Die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten für ihre Schulden bleibt erhalten, umfangreiche Sicherheiten sorgen vor, dass sich nicht einzelne Mitgliedstaaten auf Kosten der Gemeinschaft einen schlanken Fuß machen können.

 

Europäischen Bankenrettungfonds schaffen

Die Finanzlage der einzelnen Mitgliedstaaten muss unabhängig werden von der Situation des Bankensektors. Deshalb bedarf es eines Europäischen Bankenrettungsfonds, der für die Rettung und Umstrukturierung von Banken in der Eurozone zuständig ist. Er soll sich mit Beiträgen der Banken finanzieren. Dafür brauchen wir eine europaweite Bankenabgabe.

 

ESM schneller einführen

Bisher ist geplant, den EFSF erst 2013 in den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu überführen, mit dem zudem die Grundlage für eine geordnete Insolvenz von Mitgliedsstaaten geschaffen wird. Das ist zu spät. Die bislang vorgesehenen Bestimmungen müssen zügig überarbeitet werden, um neuere Entwicklungen wie das erweiterte Instrumentarium der EFSF zu berücksichtigen. Ziel muss sein, den ESM schon 2012 einführen zu können.

 

Mitentscheidung des Europäischen Parlaments ausbauen

In einem unmittelbaren, ersten Schritt als parlamentarisches Gegengewicht zur neuen Machtstellung der Euro-Gruppe schlagen wir einen Sonderausschuss des Europäischen Parlaments vor, der weitestgehende Informations- und Auskunftsrechte gegenüber dem Rat und der Euro-Gruppe erhält. Dieser Ausschuss soll in Fragen der Wirtschaftsunion vom Plenum des Europäischen Parlaments nach dem Vorbild der plenarersetzenden Beschlusskompetenz des Europaausschusses des Bundestags in bestimmten Bereichen der Wirtschaftsunion die Rolle des Parlaments gegenüber der Euro-Gruppe übernehmen. Im Gegenzug müsste eine Vereinbarung mit dem Rat über die Nutzung des Mitentscheidungsverfahrens getroffen werden.

 

Auf nationaler Ebene dürfen die Informations- und Kontrollrechte des Bundestags über die Beratungen in der Euro-Gruppe durch die Bundesregierung nicht länger verfassungswidrig eingeschränkt werden. Wir begrüßen, dass die grüne Bundestagsfraktion dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht Organstreit eingelegt hat.

 

Europäische Koordinierung auch personell verankern

Eine stärkere wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung auf europäischer Ebene wollen wir durch eine EU-Kommissarin/einen EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen personell verankern. Sie/Er soll durch das Europäische Parlament gewählt werden, das ihr/ihm gegenüber starke Kontrollrechte erhält. Der Kommissar sollte in wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerungs- und Überwachungsverfahren eine Schlüsselrolle beziehungsweise Durchgriffsrechte erhalten. Verstoßen die Mitgliedsstaaten gegen die gemeinsamen Haushaltsregeln könnte die EU-Kommissarin/der EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen ihnen Vorgaben machen, bis diese sie wieder einhalten. Zudem sollte sie/er nicht nur Mitglied der EU-Kommission, sondern auch Vorsitzende/Vorsitzender der entsprechenden Ratsgremien und der Euro-Gruppe sein. Ihr/Sein Initiativrecht für Gesetzesvorschläge in den entsprechenden Politikbereichen müsste durch Einbindung in das Mitentscheidungsverfahren demokratisch legitimiert werden.

 

Konvent zur Änderung des EU-Vertragswerks

Wir Grüne sind uns sehr bewusst, dass manche unserer Vorschläge lediglich vom politischen Willen abhängen und auf Basis des geltenden EU-Vertragswerks schon heute umgesetzt werden können. Andere bedürfen einer Änderung des Vertrags von Lissabon und gegebenenfalls Anpassungen auf nationaler Ebene. Die konkreten Vorschläge müssen in einem demokratischen, transparenten Verfahren erarbeitet werden, das auch von Anfang an eine Bürgerbeteiligung ermöglicht. Eine Begrenzung der Vertragsänderungen auf wirtschaftspolitische Minimalia kann kein neues Vertrauen schaffen. Gelingen kann dies nur in einem Europäischen Konvent, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger breit beteiligen können und über dessen Ergebnisse sie auch in der Europäischen Union angemessen mitentscheiden sollen.

 

Dieser Antrag wurde erstellt unter Mitarbeit von: Sven Giegold, Priska Hinz, Manuel Sarrazin, Gerhard Schick


Dringlichkeitsbegründung:

Die E
ntwicklungen in der Eurokrise haben in den letzten Wochen seit Antragsschluss für eigenständige Anträge mehrfach neue Entwicklungen genommen. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem EU-Sondergipfel am 26. Oktober, die daraus folgende Implementierung auf nationaler Ebene als auch die einschneidenden politischen Veränderungen in Griechenland und Italien. Der Eilantrag gibt daher die grüne Position und grüne Lösungsvorschläge auf Basis der aktuellen Rahmenbedingungen wider.

 

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