Antrag zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission „Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU “ (KOM (2010) 522, 523, 524, 525, 526, 527)
hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Bundesregierung blockiert die notwendige Stärkung der haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachung in der EU. Seit September 2010 verhandeln das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen (Rat) sechs entsprechende Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie zur Etablierung eines neuen Verfahrens zur makroökonomischen Überwachung. Jetzt ließ die Bundesregierung einen bereits zwischen allen Verhandlungsakteuren ausgehandelten Kompromiss kurzerhand platzen.
Die Bundesregierung will die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes an entscheidender Stelle verhindern. Richtig wäre, den politischen Einfluss auf die Anwendung von Durchsetzungsmechanismen zu minimieren und sich ausnahmslos für „quasi-automatische Sanktionen“ einzusetzen. Stattdessen will die Bundesregierung im wichtigen präventiven Arm der haushaltspolitischen Überwachung weiterhin die EU-Finanzminister entscheiden lassen. Dem bisher vollzogenen Kuhhandel zwischen den Mitgliedstaaten wäre damit keinerlei Riegel vorgeschoben.
Zudem sabotiert die Bundesregierung eine vernünftige makroökonomische Überwachung. Die Lasten zum Abbau von Ungleichgewichten in der Eurozone will sie einseitig bei Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten abladen. Eine der wichtigsten Lehren der Schuldenkrise ist, dass wir dringend eine wirksame Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspolitiken der EU-Mitgliedstaaten benötigen.
Mit ihrer arroganten Verhandlungstaktik stößt die Bundesregierung das Europäische Parlament und die Mehrheit der Mitgliedstaaten vor den Kopf. Während sich alle um einen echten Kompromiss bemühen, beharrt die Bundesregierung versessen auf ihrer Einzelmeinung. Europa funktioniert so nicht. Europa ist kein Durchboxen von Mindermeinungen. Europa braucht Lösungen, die für alle tragbar sind.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
- den Abschluss der Verhandlungen um die künftige haushalts- und wirtschaftspolitische Steu- erung in der EU nicht weiter zu blockieren,
- das demokratische Mehrheitsprinzip anzuerkennen und sich endlich für europäische anstelle von nationalen Lösungen einzusetzen,
- sich für einen symmetrischen Ansatz bei der Bekämpfung makroökonomischer Ungleichge- wichten stark zu machen, d.h. entsprechende Maßnahmen müssen sowohl in Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten als auch in Ländern mit Leitungsbilanzüberschüssen getroffen wer- den. Art, Umfang und Dringlichkeit der Maßnahmen sind für jedes Land einzeln zu bewerten.
- Durchsetzungsmechanismen so zu gestalten, dass sie sich weitgehend politischer Einflussnahme entziehen und weder den sozialen Zusammenhalt gefährden noch pro-zyklisch wirken.
Berlin, den 28. Juni 2011
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Deutscher Bundestag Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Dr. Thomas Gambke, Katja Keul, Sven-Christian Kind- ler, Stephan Kühn, Christine Scheel und der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/6316 17. Wahlperiode 29. 06. 2011
Hier als PDF: https://manuelsarrazin.de/wp/wp-content/uploads/176316wirtschaftspolitischesteuerungindereu.pdf