I. Der Bundestag stellt fest:
Die bisherigen Rettungsprogramme erst für Griechenland und dann für Irland haben nicht die geplante Wirkung gezeigt. Zwar sind viele richtige Strukturreformen in den Programmen enthalten. Sie verfehlen aber ihr Ziel, den Ländern eine echte Perspektive für die Zukunft aufzuzeigen und ihnen bei der Bewältigung der derzeitigen enormen Probleme wirklich zu helfen. In beiden Ländern wurde die Größe des Problems und der nötige Zeitraum für Anpassungen deutlich unterschätzt. Schon früh war klar, dass Griechenland nicht nur ein Liquiditätsproblem, sondern auch ein Solvenzproblem hat. Viel zu spät wurde deshalb konkret über mögliche Wege einer Umschuldung nachgedacht.
Zu den Miseren in Griechenland und Irland haben die „Hilfs“Programme mit zu hohen Zinsen, die Irland bzw. Griechenland für die Hilfskredite zahlen müssen und die mehr als 100% über den Refinanzierungskosten von EFSF bzw. EFSM liegen, noch beigetragen. Denn hierdurch wurde die ohne- hin kaum zu stemmende Schuldenlast in beiden Ländern unnötig weiter verschlimmert und damit die Erfolgsaussichten des eigenen Programms torpediert. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung der Schuldnerländer zu Recht fragt, warum die Geberländer an den Hilfen noch verdienen wollen.
In Griechenland wie in Irland besteht eine soziale Schieflage in den Programmen. Auch zeichnet sich der Ansatz der Bundesregierung durch eine fehlende wirtschaftspolitische Perspektive für Europa ins- gesamt aus.
Portugal hat am 7. April 2011 offiziell Kredithilfe bei der Europäischen Kommission beantragt. In ihrer Sitzung vom 8. April 2011 hat die Eurogruppe die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), den Internationale Währungsfonds (IWF) und Portugal beauftragt den Finanzierungsbedarf Portugals zu ermitteln und die zentralen Punkte des makoökonomischen Anpassungsprogramms auszuhandeln. Das Anpassungsprogramm ist Voraussetzung für die Gewährung der Kredithilfen. Am 16. Mai 2011 wird in der Eurogruppe über die Finanzhilfen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und am 17. Mai 2011 wird im ECOFIN über die Finanzhilfen aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) entschieden. Die Hilfen sollen Kredite in Höhe von insgesamt 78 Milliarden Euro enthalten. Der Rat muss mit qualifizierter Mehrheit auch über die Darlehensgewährung und das Anpassungsprogramm im Rahmen des EFSM entscheiden. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben, für das Art 23 GG i.V.m. § 9 EUZBBG das Recht und die Gelegenheit des Bundestages zur Stellungnahme verbürgt, bevor die Bundesregierung an dem Beschluss im Rat mitwirkt.
Wieder sollen Zinsen für Kredite aus EFSF und EFSM voraussichtlich 2% über den Refinanzierungskosten liegen (also den Kosten, die der EFSF bzw. EFSM für das Geld bezahlen muss; der IWF wird für die ersten drei Jahre 3,25% und dann 4,25% verlangen). Die Maßnahmen werden auch die ökonomisch schwächsten Bürgerinnen und Bürger treffen. Zu wenig werden starke Schultern für die Finanzierung der Krisenlasten herangezogen. Auch stellt sich die Frage, welche wirtschaftspolitische Perspektive eigentlich Europa insgesamt voranbringen soll. Damit werden Fehler der Programme für Griechenland und Irland wiederholt.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der Wahrnehmung seiner Rechte gemäß Artikel 23 Absatz 3 GG iVm § 9 EUZBBG auf:
- den Kredithilfen für Portugal aus dem EFSM zuzustimmen,
- sich dafür einzusetzen, dass die Zinshöhe der Kredite aus dem EFSF und dem EFSM sich an der
- Höhe der Zinssätze für die Kredite aus dem IWF orientieren; hohe Zuschläge sind abzulehnen,
- sich für ein sozial und ökologisch ausgewogenes Anpassungsprogramm einzusetzen,
- den Bundestag fortlaufend über die Umsetzung des Anpassungsprogramms zu unterrichten.
Berlin, den 10. Mai 2011
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Begründung
Die Lage in Portugal hat sich im März drastisch zugespitzt. In den Sog von Griechenland und Irland gerissen, stiegen die Kosten des Landes für neue Kredite stark an. Als dann noch das Sparpaket der Regierung Socrates scheiterte, konnte die Krise nicht mehr bewältigt werden. Doch Portugal ist nicht Griechenland oder Irland. Weder ist die Staatsverschulung unberechenbar, noch müssen hauptsächlich Banken gerettet werden. Im Gegenteil: In der Vergangenheit konnte Portugal ohne Schönfärberei die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes erfüllen und steht erst seit Zuspitzung der Krise bei einer Gesamtverschuldung von ca. 93% des BIP. Trotzdem ist die Situation des Landes nicht unverschuldet: Wichtige Strukturreformen wie z.B. Reformen des Arbeitsmarktes oder eine konsequente Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit wurden nur zögerlich umgesetzt. Auch im Budgetprozess wer- den erst jetzt Reformen umgesetzt, um die Haushaltspolitik solider zu machen. Insgesamt hat das Land aber das wirtschaftliche Potential und den Willen, die schwierige Situation zu meistern. Die Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm geben Portugal die Chance, sich zu angemessenen Kosten zu refinanzieren, die notwendigen Strukturreformen durchzuführen, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Portugals Wirtschaftsstrategie muss aufgrund der Globalisierung und der EU-Osterweiterung nachhaltig verändert werden. Portugal hat es versäumt, dies rechtzeitig zu tun. Mit dem Anpassungsprogramm hat Portugal die Chance seine Wirtschaft so umzubauen, dass es Waren für den Export in den EU-Binnenmarkt in so einem Maße produziert, dass es die eigenen Importe ausgleichen kann.
Bei der Kredithilfe muss aus den Fehlern bei der Festsetzung der Zinshöhe für Griechenland und Irland gelernt werden. Der Refinanzierungsvorteil muss von Anfang an zu einem angemessenen Teil an die hilfebedürftigen Staaten weitergeleitet werden. Wichtig dazu wäre auch, dem EFSF auch die Rekapitalisierung von Banken zu ermöglichen. Nur so kann das Risiko der Banken vom Risiko der Staaten getrennt und eine Stabilisierung erreicht werden. Zudem wäre zu prüfen, ob der Verkauf der Goldreserven ein Baustein bei der Sanierung des portugiesischen Staatshaushalts sein kann.