Deutscher Bundestag
Drucksache 17/4185
17. Wahlperiode 14.12.2010
Entschließungsantrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Alexander Bonde, Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn), Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Ute Koczy, Tom Koenigs, Stephan Kühn, Fritz Kuhn, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Beate Müller-Gemmeke, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 16./17. Dezember 2010 in Brüssel
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Die Europäische Union befindet sich in einer massiven Vertrauenskrise. Das schwindende Vertrauen in die Tragfähigkeit der nationalen Haushalts- und Fiskalpolitik – auch in Folge der Bankenrettung – hat die Eurokrise ausgelöst. Inzwischen droht das fehlende Vertrauen in die Weitsicht und Kompetenz der europäischen Staats- und Regierungschefs bei der Bewältigung der Eurokrise die EU insgesamt in eine schwere politische Krise zu stürzen.
Die Eurokrise hat tiefer gehende Ursachen. Sie hat die Notwendigkeit weitreichender struktureller Reformen deutlich gemacht. Europa kann nur dann krisenfest und die Währungsstabilität des Euro gesichert werden, wenn die fiskal- und wirtschaftspolitische Koordinierung verbindlich und die haushaltspolitische Überwachung ausgebaut wird. Die EU-Kommission hat diesbezüglich am 29. September 2010 ein ambitioniertes Reformpaket vorgestellt. Diese Vorschläge müssen das Europäische Parlament und die Europäischen Staats- und Regierungschefs so ausgestalten, dass im Ergebnis eine echte Wirtschafts- und Währungsunion daraus hervor geht. Teil des Ergebnisses muss auch eine europäisch verfasste Lösung für einen permanenten Krisenmechanismus sein, der einer starken parlamentarischen Kontrolle unterliegt und eine Gläubigerbeteiligung sicherstellt.
Der tiefen Zerrissenheit der EU muss der Europäische Rat in der gegenwärtigen Krise ein starkes Signal für pro-europäische Lösungen entgegensetzen. Die EU braucht Kräfte, die mutig und entschlossen mehr Integration wagen und damit die notwendigen Lehren aus der Krise ziehen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
den Europäischen Rat am 16./17. Dezember 2010 zu nutzen, um das Vertrauen in den politischen Zusammenhalt der EU wieder herzustellen. Dafür muss Deutschland zurückkehren zu einem pro-europäischen Kurs, der der Notwendigkeit einer stärkeren Europäischen Integration Rechnung trägt. Die Aufgabe der Bundeskanzlerin ist es, überzeugend zu vermitteln, dass dies im * Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt. elektronische Vorabfassung* 2 Sinne der Währungsstabilität ist und somit den deutschen Interessen am allerbesten dient;
sich im Rahmen der Verhandlungen um einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) für eine europäische Lösung und eine starke parlamentarische Kontrolle des künftigen Verfahrens einzusetzen. Neben den nationalen Parlamenten muss vor allem dem Europäischen Parlament eine angemessene Rolle zugestanden werden. Der Vorrang von ESM-Mitteln gegenüber Gläubigern des Privatsektors ist sicherzustellen;
bei den europäischen Partnern auf ein regelgebundenes Verfahren hinzuwirken, das künftig bei festgestellter Insolvenz von EU-Mitgliedstaaten eine Gläubigerbeteiligung des Privatsektors vorsieht, um die Schuldenlast des betroffenen Staates auf ein tragfähiges Niveau senken zu können;
den Weg für Euro-Anleihen, die von allen Mitgliedern der Währungsunion bis zur einer geeigneten, stabilitätswahrenden Grenze ihrer jeweiligen Schuldenstandsquoten gemeinsam begeben werden, freizumachen und so den politischen und wirtschaftlichen Zusammenhalt in der Euro-Zone deutlich und nachhaltig zu stärken. Zudem muss der Wert der Preisstabilität aus den europäischen Verträgen gewahrt bleiben;
sich auf Grundlage der Vorschläge der EU-Kommission zur Wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU für ein wirksames und verbindliches Verfahren zur Korrektur und Vermeidung makroökonomischer Ungleichgewichte einzusetzen und eine effektive Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakt mitzutragen;
beim Europäischen Rat am 16./17.12.2010 auf ein schnellstmögliches europäisches Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Kreditausfallversicherungen (CDS) auf Staatsanleihen von EU-Mitgliedstaaten hinzuwirken, um der weiteren spekulationsbedingten Verschärfung der europäischen Schuldenkrise entgegenzuwirken;
die schnelle Einführung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und eines EU-weiten Mindeststeuersatzes aktiv voranzutreiben.
Berlin, den 14. Dezember 2010 Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Dokument:
entschliessungsantragregierungserklaerungzumeuropaeischenrat2010-12-16.pdf