Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Regierungsvertreterinnen und Vertreter der EU-Mitgliedstaaten streben an, bereits am kommenden Montag eine grundsätzliche politische Einigung über die zukünftige Struktur des Europäischen Auswärtigen Dienstes zu erzielen. Ein ambitioniertes Ziel, wird doch in Brüssel und den Hauptstädten auf Hochtouren über die konkrete Ausgestaltung, Arbeitsweise, Aufgabenteilung und Personal- und Haushaltsfragen gerungen. Rat und Kommission nutzen die Errichtung des EAD für Kämpfe um Macht und Einfluss und verhalten sich dabei – meiner Einschätzung nach – nicht konstruktiv. Das Wesentliche scheint dabei ein wenig aus dem Blickwinkel zu geraten.
Ich will hier ganz klar sagen, dass wir Grüne in dem neuen Amt des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik und dem EAD immer eine großartige Chance für eine moderne, kohärente und effektive EU-Außenpolitik gesehen haben – und dies immer noch sehen! Es gibt einige grundlegende Prämissen, die der EAD unserer Meinung nach erfüllen muss, um einer europäischen Außenpolitik, wie sie Art. 21 des EU-Vertrags, EUV, beschreibt, gerecht zu werden. Der EAD muss modern, wertegebunden, effektiv und in seinem Selbstverständnis „europäisch“ sein. Europa ist eine Zivilmacht. Wir wollen eine klare Priorität des EAD auf Krisenprävention und zivile Konfliktbewältigung.
Modern sein heißt für uns, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu entsprechen: Klimawandel, Armutsbekämpfung, Umgang mit fragiler Staatlichkeit, gerechter Zugang zu natürlichen Ressourcen und die Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen – um nur einige zu nennen – sind grundlegende Handlungsfelder dafür. Diese Herausforderungen können nur in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft gelöst werden. Daher erwarten wir vom EAD einen wichtigen Beitrag zur Stärkung eines effektiven Multilateralismus. Außerdem muss er sich zu den Millenniumsentwicklungszielen bekennen und die Bekämpfung von Armut und Hunger maßgeblich vorantreiben.
Im Geiste „europäisch“ bedeutet für uns, dass die Hohe Vertreterin allein weisungsbefugt gegenüber allen Bediensteten des EAD sein muss. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass sich unter den Bediensteten ein europäischer „Esprit de Corps“ entwickelt. Dafür ist wichtig, dass sich der EAD und seine Bediensteten mit den Zielen des Art. 21 Abs.1, EUV identifizieren und sie nach außen vertreten. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die EAD-Bediensteten bei Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Eid auf den Vertrag von Lissabon schwören. Aber das sind bisher nur Gedankenspiele. Klar ist aber, dass alle EAD-Bediensteten dem EU-Personalstatut unterstellt sein müssen. Zudem muss der Dienst sich an seine Pflichten gegenüber dem Europäischen Parlament halten und Rechenschaft ablegen.
Letztendlich kann der EAD nur effektiv, kohärent und stark sein, wenn die Hohe Vertreterin stark ist. Der Begriff der Kohärenz aus dem EU-Vertrag bedeutet für mich, dass die Interpretation der Rolle der Hohen Vertreterin einen deutlichen Mehrwert für die EU und ihr außenpolitisches Handeln bedeutet. Zudem setzten wir uns für einen finanziell eigenständig budgetierten EAD ein, der der strengen haushälterischen Kontrolle des EP untersteht. Die Aufgabenteilung zwischen EU-Kommission und EAD muss vorab eindeutig geklärt sein. Das bringt mich zu dem nun vorliegenden Vorschlag von Lady Ashton. Während im Bereich der Entwicklungspolitik mit der sogenannten Doppel-Schlüssel-Lösung eine – auf den ersten Blick – passable Lösung gefunden wurde, ist unklar, unter welche Verantwortung das Stabilitätsinstrument – das einzig wirklich schnelle Krisenreaktionsinstrument der EU – fällt. Eine Ansiedlung unter die Krisenmanagementstrukturen, so wie sie im Vorschlag von Ashton vorgesehen sind, wäre fatal.
Dies ist nicht der einzige Schwachpunkt in Ashtons Vorschlag. Besorgniserregend und vollkommen kontraproduktiv ist die Sonderstellung, die die Krisenmanagementstrukturen des Rates im EAD einnehmen sollen. Ohne jegliche Anbindung an andere für diesen Bereich relevante Strukturen sollen diese Einheiten dem direkten Befehlsstrang und sogar der täglichen Koordinierung durch die Hohe Vertreterin und dem Generalsekretär unterstellt sein.
Mit Sorge beobachten wir auch die angedachten Rekrutierungsvorhaben hierfür. Es spricht nichts dafür, Beamte im Krisenmanagementbereich gesondert zu behandeln. Konfliktprävention und Friedensunterstützung, das heißt Konfliktnachsorge, Wiederaufbau und Mediation, spielen im vorliegenden Entwurf keine Rolle. Krisenmanagement wird somit einseitig auf militärische Strukturen reduziert. Das ist weder dem EUV noch den Anforderungen an eine moderne Außenpolitik angemessen. Stattdessen fordern wir die Einrichtung einer Generaldirektion „Peace-Building and Civilian Crisis Management“ im EAD, unter der sich die oben genannten Krisenmanagementstrukturen einordnen. Offen ist auch die Frage nach der politischen Vertretung der Hohen Vertreterin. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Brüssel fordern zu Recht eine politische Verantwortung vor dem Europäischen Parlament.
Kritisch betrachten wir auch die machtvolle Stellung des Generalsekretärs im Vorschlag von Frau Ashton. Diese Machtposition würde ermöglichen, dass sich dieser zum eigentlichen Strippenzieher entwickelt und die Hohe Vertreterin zur Marionette verkommt. Eine weitere Gefahr besteht in dem Versuch einiger Mitgliedstaaten, bereits vergemeinschaftete Politikbereiche über den Umweg des EAD zurückzuerobern. Diese sich abzeichnende Tendenz einer Rückabwicklung von gemeinschaftlichen in zwischenstaatliche Strukturen stellt eine komplette Fehlentwicklung dar.
Der EAD und die Hohe Vertreterin bedeuten einen Fortschritt in der europäischen Integration, und das muss sich auch in der konkreten Umsetzung widerspiegeln. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass der EAD wirklich modern, wertegebunden und europäisch wird. Verhindern Sie, dass die EU dem Vorwurf ausgesetzt wird, sie würde ihre Rolle als Zivilmacht im EAD verkennen!
Hier die Rede als PDF: redeeuropaeischerauswaertigerdienstmanuelsarrazin22042010.pdf