Soziale Mindeststandards, Mindestlöhne, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und ein Umsteuern der globalen Wirtschaft – wir Grüne streiten für eine sozialere EU! Die soziale EU in Zeiten der Wirtschaftskrise und grüne Rezepte waren Thema des Abends in der Kalkscheune. In lockerer Atmosphäre diskutierten die Gäste mit dem Publikum die Chancen und Risiken des Sozialen Europa. Die Moderation übernahm Manuel Sarrazin, Mitglied im Europaausschuss des Deutschen Bundestags und zuständig für Europäische Sozialpolitik.
Mehr Grün für eine sozialere EU!
„Wir brauchen mehr soziales Europa! Wir Grüne streiten für soziale Mindeststandards in allen EU-Mitgliedstaaten, für eine bessere Koordinierung und dafür, nationale Eigenheiten besser zu schützen“, damit brachte Jürgen Trittin einige grüne Forderungen in seiner Begrüßung auf den Punkt. „Wir Grünen streiten für Mindestlöhne„, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Frauen verdienen in Deutschland im Durchschnitt 23 Prozent weniger als Männer. Das wollen wir ändern!“. Gerade in der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise brauchen wir europaweit Mindestlöhne, denn sonst gibt es keine Absicherung nach unten.
Um Lohndumping zu vermeiden, fordert die grüne Bundestagsfraktion einen einheitlichen europäischen Mindestsatz für die Unternehmenssteuer. Jürgen Trittin betonte, dass Deutschland endlich seine Abschottungspolitik gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus den mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten beenden und Diskriminierung wirksam bekämpfen muss.
Die Globalisierung ist nicht das Ende des Europäischen Sozialmodells!
„Trotz Globalisierung und zunehmender europäischer Integration gibt es in Europa kein race to the bottom.“, stellte Prof. Norman Ginsburg, Professor für Sozialpolitik an der London Metropolitan University, in seinem Eingangsstatement fest. Die Sozialausgaben seien sogar gestiegen. „Ungerechtigkeit und Armut sind keine unausweichlichen Folgen der Globalisierung!“, so Ginsburg. Die EU müsse ihr einzigartiges Europäisches Sozialmodell mit seinen Rechten jedoch gegen neoliberale Einflüsse verteidigen. In der Diskussion mit dem Publikum hob Ginsburg die Bedeutung der Grundrechtecharta für den Schutz sozialer Rechte hervor.
Auch in der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise sei das Europäische Sozialmodell trotz Lohnungleichheiten, Kinderarmut und Arbeitslosigkeit bei guter Gesundheit – noch. Die Folgen der Krise seien jedoch noch nicht absehbar. In der Krise könne auch eine Chance liegen: die Wirtschaftskrise der 80er Jahre habe der EU mit der Einheitlichen Europäischen Akte einen Integrationsschub gegeben. Ginsburg zeigte sich in der Diskussion mit dem Publikum optimistisch, dass der Grundwert der Solidarität die EU gestärkt aus der Krise führe.
Solidargemeinschaft EU
„Wären Sie gerade lieber Rumäne oder Moldawier?“, fragte Dr. Detlef Fechtner, EU-Korrespondent bei der WAZ-Mediengruppe. In der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise sei die EU-Mitgliedschaft ausgesprochen wichtig. In der Krise zeige sich der Grundwert der Solidarität und des Europäischen Sozialmodells – mit der „Östlichen Partnerschaft“ auch über ihre Grenzen hinaus. Jürgen Trittin forderte in der Diskussion mit dem Publikum eine offene EU: „Die Europäische Union muss weiterhin Erweiterungsperspektiven bieten!“
Politik wird von politischen Mehrheiten gemacht!
„In Brüssel sitzt keine kleine kriminelle Clique“, erinnerte Dr. Fechtner. Die meisten sozialpolitischen Entscheidungen fallen im Ministerrat, wo die nationalen Minister die Hand heben. Wie sozial die EU ist, bestimmen die politischen Mehrheiten, betonten auch Jürgen Trittin und Prof. Ginsburg. Nicht die Globalisierung untergräbt das Europäische Sozialmodell, sondern konservative Regierungen und neoliberale Netzwerke. „Das Risiko bleiben die politischen Mehrheiten in der EU“, erinnerte auch Ska Keller.
Für eine solidarische europäische Öffentlichkeit!
„Die Chancen im sozialen Europa sind Mindeststandards z.B. bei Mindestlöhnen und Daseinsvorsorge“, so Ska Keller, Landesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen in Brandenburg. Sie setzt sich für eine solidarische europäische Öffentlichkeit ein, die auf die Straße geht, wenn z.B. Unternehmen wie der Handyhersteller Nokia ihre Standorte kurzfristig wechseln: „Wir brauchen stärkere Gewerkschaften über Grenzen hinweg, die gemeinsame Interessen definieren und z.B. gegen Lohndumping aufstehen.“ Doch die europäische Öffentlichkeit muss sich erst noch finden. „Wir brauchen das europaweite Referendum, um mit Druck von der Straße Druck auf die Politik auszuüben!“, forderte Ska Keller in der Diskussion mit dem Publikum.
Ohne Kohle aus der Krise!
„Wir reden nicht über eine konjunkturelle Delle. Wir reden über eine Wirtschaftskrise im Ausmaß der Krise der 20er und 30er Jahre“, warnte Jürgen Trittin. Die Lösung: „Dekarbonisierung“, also weg von der Kohle, hin zu Sonne und Wind. „In Deutschland haben wir mit dem Gesetz über Erneuerbare Energien eine Wachstumsbranche mit 280.000 neuen Arbeitsplätzen geschaffen.“, erinnerte Jürgen Trittin.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen wird in Kürze einen Reader mit den Konferenzergebnissen vorlegen.
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